Tankstellen-Arzt gehen Patienten verloren

Nach Disziplinaranzeige: Anwalt Andreas Strobl (li.) sieht die Werbung Zakels (re.) als angemessen.
Werbeverbot: Trotzdem Kompagnon gesucht.

Werbung wirkt: Das konnte auch Dieter Zakel beobachten. Der Arzt, der sich selbst als "dr. ive in" bezeichnet, bekam jede Menge Medienaufmerksamkeit, als er seine Praxis in einer Tankstelle im Mai in Wien-Döbling eröffnete. "Arztbesuch der besonderen Art: So schnell und einfach wie Volltanken. Nur günstiger", erklärte er in einer Presseaussendung. Und das missfiel Ärztekammer-Präsidenten Thomas Szekeres. Er wertete das als marktschreierisch. Die Angelegenheit liegt jetzt bei der Disziplinarbehörde der Kammer.

Bikini-Figur

"Eine spezielle Idee braucht spezielle Werbung", sagt Zakels Anwalt Andreas Strobl. "Die Werbung war meiner Meinung nach im Rahmen. Er verspricht ja nicht den Traum von der Bikini-Figur." Im Gegensatz dazu beäugt er diverse Ärzte-Rankings in Zeitschriften kritisch. "Wenn die besten Ärzte präsentiert werden – und nicht einmal angemerkt wird, wie die ausgesucht wurden."

Seit Beginn des Verfahrens hat Zakel auf Werbung verzichtet. Das bekommt er auch zu spüren. "Anfangs waren es im Durchschnitt acht Patienten täglich. Jetzt sind es fünf", erklärt er. Speziell am Wochenende seien seine Dienste gefragt. "Bevor man stundenlang in der Ambulanz sitzt, kommt man lieber zu mir und zahlt halt 50 Euro."

Und weil er seit dem 1. Mai täglich von 6 bis 22 Uhr in der Tankstellen-Praxis in der Krottenbachstraße sitzt, sucht er nun auch Unterstützung. "Einige Mediziner haben sich schon als Vertretung oder Ergänzung beworben", sagt Zakel.

Der Tankstellen-Arzt von Wien-Döbling erhitzt weiter die Gemüter. Wie der KURIER berichtete, eröffnet Anästhesist, Allgemein- und Intensivmediziner Dieter Zakel am 1. Mai in der Krottenbachstraße 32–34 die erste Drive-in-Ordination Österreichs – im Selbstbedienungsmarkt einer Diskont-Tankstelle. Nachdem die Wiener Ärztekammer bereits Bedenken anmeldete, übt nun auch Patientenanwältin Sigrid Pilz Kritik an dem Konzept.

Zakel will ja in einem etwa 8 großen Glasverbau ordinieren. Ohne Terminvereinbarung stellt er "minimale Wartezeiten" für die Patienten in Aussicht. Für 50 Euro erhalten sie 15 Minuten Aufmerksamkeit. Täglich von 6 bis 22 Uhr. Als Ausstattung reichen dem Privatarzt im Wesentlichen Stethoskop, Telefon und Rezeptblock, sagt er.

Tankstellen-Arzt gehen Patienten verloren
In der ENI-Tankstelle in der Krottenbachstraße 32–34 soll ein Untersuchungs- und Behandlungsraum errichtet werden.

Für Pilz ein fragwürdiges Praxis-Modell – sie beklagt die "McDonaldisierung der Medizin". Die Gründe für ihre Bedenken: Zum einen seien 15 Minuten für viele Behandlungen nicht ausreichend. Zum anderen lasse die bescheidene Praxis-Ausstattung nicht gerade auf ein breites Leistungsspektrum schließen. "Abgesehen davon möcht’ ich zu keinem Arzt gehen, der müde ist, weil er täglich 16 Stunden arbeitet."

Zudem sei Zakels Angebot "ein Schritt in Richtung Wahlarzt-Unwesen", meint Pilz. "Es ist doch so, dass die Leute sozialversichert sind. Im Normalfall geht man mit der eCard zum Arzt und zahlt nichts für die Behandlung. Wenn die Patienten jetzt Bargeld auf den Tisch legen müssen, wofür zahlen sie dann ihre Sozialversicherung?!"

Randzeiten

Allerdings gesteht die Patientenanwältin dem "dr.ive in"-Konzept eine gewisse zeitliche Attraktivität in Randzeiten zu. Die "schlechten Öffnungszeiten der Wiener Ordinationen" könnten für Zakel sprechen. "Die Ärztekammer hat es ja leider nicht geschafft, Berufstätigen an Wochenenden und Feiertagen entgegenzukommen. Dr. Zakel hat hier ein punktuell praktisches Angebot – er ist aber sicher nicht die Lösung."

Von der Ärztekammer erwartet Pilz "eine wirksame Kontrolle" der "dr.ive in"-Praxis. Genau das hat der stellvertretende Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte, Norbert Jachimowicz, im KURIER bereits angekündigt. Die Ärztekammer werde die Tankstellen-Ordination "sorgfältig beobachten" und "beim geringsten Anlass einschreiten". Das Konzept an sich halte man für "einen PR-Gag".

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