Suchthilfe Jedmayer: Besuchszeit für besorgte Bürger
Nicht einmal zwei Minuten hat es gedauert, dann kam es zum ersten Eklat. Als ein Fotograf Bürgerinitiative und Suchthilfe-Experten zum gemeinsamen Foto bat, packte Anwalt Adrian Hollaender sein „Anti-Jedmayer“-Plakat aus und hielt es in die Kamera. „Na, also so nicht“, entgegnete Drogenkoordinator Ewald Lochner. „Was Sie halten, schreibe ich Ihnen nicht vor, und was ich halte, schreiben Sie mir nicht vor“, entgegnete Hollaender. Folge: Die Experten der Suchthilfe und Holländer wurden getrennt voneinander fotografiert.
Der Start für die Führung durch das Tageszentrum der Suchthilfe Wien, den Jedmayer, hätte wahrlich besser sein können. Dabei erfolgte das Treffen mit der Bürgerinitiative „Mariahilf ohne Jedmayer“, die seit Wochen für eine Übersiedelung der Einrichtung an den Stadtrand eintritt, auf Einladung der Suchthilfe. Und war zum Dialog gedacht. Die Führung durch Tageszentrum, Ambulatorium und Notschlafstelle am Gumpendorfer Gürtel sollte Ängste und Vorurteile gegenüber Suchtkranken abbauen.
Dafür standen am Dienstag alle bereit, die mit dem Thema vordergründig zu tun haben: Sonja Grabenhofer und Roland Reithofer, die beiden Geschäftsführer der Suchthilfe Wien; Hans Haltmayer, der ärztliche Leiter des Ambulatoriums, Drogenkoordinator Ewald Lochner, der Mariahilfer Bezirksvorsteher Markus Rumelhart (SPÖ) und sein Vize Michael Reichelt (Grüne).
Aufgebot
Die Bürgerinitiative kam in Fünf-Mann-Stärke: An vorderster Front deren Sprecher Anwalt Hollaender (bekannt als Beistand des Craftbier-Geschäft-Besitzers im Sigi-Maurer-Prozess, Anm.), ein Mann, der im Gasthaus „Zum Hagenthaler“ Unterschriften gegen den Jedmayer sammelt, eine Frau mit Designertasche und Schoßhund, ein älterer Herr, FPÖ-Bezirksrätin Gabriela Petras, die nur als „Bürgerin“ gekommen ist, wie sie sagt.
Führung
Reithofer begann seine Führung im Tageszentrum. „Hier findet die basale Versorgung statt. Betreuung und Beratung.“ Suchtkranke können sich dort aufhalten, etwas essen, sich ausruhen – aber keine Drogen nehmen.
Grabenhofer führte die Besucher durch den Hygienetrakt (wo Suchtkranke duschen und Wäsche waschen können), durch das sogenannten Klienten-Büro (wo sie etwa Bewerbungen schreiben können); Haltmayer zeigte das Ambulatorium und das Zimmer, in dem Drogenersatzmittel im Zuge einer Substitutionstherapie verabreicht werden.
Befragung
Auch den Spritzentausch, bei dem Suchtkranke benutzte Spritzen gegen saubere tauschen können, bekamen die Bürger zu sehen. Anwalt Hollaender stellte Fragen, aber ließ die Gastgeber nicht ausreden. Seine Stimme wurde immer lauter, bis es Geschäftsführer Reithofer schließlich zu bunt wurde: „Schreien Sie mich nicht an, ich mache das auch nicht mit Ihnen“, ermahnte er den Anwalt.
„Können Sie uns verstehen“, sagt einer Bürger, „dass uns die Spritzen, die hier in der Umgebung in Stiegenhäusern, auf der Straße, in Blumentöpfen gefunden werden, stören?“ „Zu 100 Prozent“, sagte Drogenkoordinator Lochner. „Jede Spritze im öffentlichen Raum ist eine zu viel.“ Das ursächliche Problem dafür sei aber nicht der Jedmayer, sondern die Dealerszene, die sich von den U6-Stationen Thaliastraße und Josefstädter Straße zu Westbahnhof und Gumpendorfer Straße verlagert hat. „Gäbe es den Jedmayer nicht, wären mehr Suchtkranke im öffentlichen Raum“, gab Lochner zu bedenken.
Damit sich Suchtkranke weniger auf dem Gehsteig vor dem Tageszentrum aufhalten, überlegt die Drogenkoordination nun, im Jedmayer „kontrollierten Konsum“ von Alkohol zu erlauben. Auch das sei bisher ein Problem gewesen.
Anwalt Hollaender überzeugten die Experten nicht ob der Unterscheidung zwischen Dealerszene und Jedmayer-Klienten im Umfeld der Einrichtung nicht: "Ich glaube vielmehr, dass der Jedmayer sehrwohl kausal für die Probleme verantwortlich ist", erklärte der Anwalt. Nachsatz: "Trotzdem herzlichen Dank, dass Sie uns eingeladen haben."
Info und Fakten
Die Einrichtung der Suchthilfe Wien befindet sich am Gumpendorfer Gürtel 8 in Wien-Mariahilf. Am Standort befinden sich das Tageszentrum „Jedmayer“ für Suchtkranke, eine Notschlafstelle und ein Ambulatorium. 10.000 Spritzen werden dort (bei 600 Kontakten) täglich getauscht. Über die 24-Stunden-Suchthilfe-Hotline können Probleme gemeldet werden: 01-4000-5379.
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