Eine junge Frau steigt vom Rad und kauft eine Wassermelone bei Alex Akifov. Eine andere sitzt an einem kleinen Tisch vor der Palette und trinkt eine Helga (ein Bio-Erfrischungsgetränk aus Algen) und ein Arbeiter holt sich ein halbes Brathendl bei Schneiders Geflügel: Am späten Vormittag beginnt am Vorgartenmarkt in der Leopoldstadt das geschäftige Treiben.
Der Vorgartenmarkt, das ist der vielleicht unterschätzteste Markt Wiens. Und vielleicht jener mit dem hochwertigsten Sortiment. In der "Palette" gibt es "Bio und Feinstes vom Land" . Vitrine und Regale bestehen – wenig überraschend – aus Palettenmöbeln. Gleich gegenüber befindet sich der Obst- und Gemüsestand von Alex Akifov. Es gibt einen Fleischhauer, ein Fisch-Geschäft und den Geflügel-Stand Schneider.
Der Biohof Adamah betreibt hier ein Geschäft, im Bioviertel erhält man frisches Fleisch aus dem Waldviertel und in Marias Café kostet der Spritzer noch 1,90 Euro.
Rita Huber wurde mit ihrem vegetarischen Lieferservice Rita bringt‘s am Vorgartenmarkt sesshaft und seit Kurzem betreibt das japanische Restaurant Mochi dort jeden Freitag und Samstag einen Pop-up-Store. Im Herbst wird eine Filiale eröffnet.
Die Atmosphäre
Aber was den Vorgartenmarkt abseits des Aufgezählten ausmacht? "Das Publikum", sagt Bettina Hradecsni von der Palette. "Bei mir kaufen alte Damen und Herren genauso ein wie junge Familien. Und ein paar G’spritze gibt’s überall." Dass Hradecsni, die auch beim Markt auf der Freyung einen Käse- und Schinkenstand betreibt, ein Geschäft auf dem Vorgartenmarkt eröffnete, war reiner Zufall. Zu Beginn sei sie skeptisch gewesen: "Ich komm’ ja aus dem Czerninviertel und das Stuwerviertel hatte für mich immer diesen Anstrich", sagt Hradecsni. Aber die Skepsis war schnell verflogen: "Es war die Atmosphäre des Marktes. Die hat mich so richtig reingezogen." Helmut Gragger zog es mit seiner Holzofenbäckerei vor gut einem Jahr ins Stuwerviertel. "Damals war der Markt noch nicht so attraktiv", sagt Gragger. "Aber es braucht immer jemanden, der den ersten Schritt macht". Dass vor Kurzem ein afrikanischer Laden und bald der hippe Mochi aufsperren wird, werde dem Markt noch mehr Aufwind verleihen. "Der Markt ist zum Leben erweckt worden", sagt Gragger. Dass er sein Brot im Holzofen bäckt, zieht die Kunden an.
Leere Stände
"Samstagvormittag läuft praktisch jeder hier mit einem Sackerl vom Gragger herum", sagt Christian Schneider, der in dritter Generation den Geflügel-Stand seiner Familie betreibt.
"Bevor der Markt vor fünf Jahren umgebaut wurde, hat es hier teilweise ausgeschaut, wie im Ghetto", sagt Schneider. Viele Stände waren leer, die Wände beschmiert. Mit der Renovierung habe sich die Stadt zwar "ewig" Zeit gelassen, aber mittlerweile gehe es bergauf. "Früher gab es hier drei Hendl-Standl, einen Fleischhauer und Gemüse-Standln. Jetzt sind es Spezialgeschäfte", sagt Schneider. "Die haben Kunden zum Markt gebracht, die vorher nicht da waren."
Aber nur von "Bio und Bobo" können der Markt auch nicht leben. "Man muss alle Menschen ansprechen", sagt Schneider – auch die Arbeiter, die sich bei ihm zu Mittag ein halbes Brathendl um 3,50 Euro und nicht um 5 Euro kaufen wollen, nur weil es bio ist. "Am Karmelitermarkt, da sind nur noch die ganz hippen Leute. Das ist auch nicht das Wahre."
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