Strasser ist einer von 62 Freigängern

Strasser ist einer von 62 Freigängern
Ex-Minister arbeitet für 1,88 Euro pro Stunde als Berater – in der Zelle schläft er nur noch.

Nur weil Herr Strasser bekannt ist, kann man ihm das nicht verwehren", sagt der Leiter der Justizanstalt Wien-Simmering zum KURIER. Der wegen Bestechlichkeit zu drei Jahren Haft verurteilte ehemalige ÖVP-Innenminister Ernst Strasser hat das Gefängnis am Montag zum ersten Mal verlassen. Er bekommt nach Verbüßung von acht Wochen seiner Strafe Freigang, um tagsüber seiner Arbeit als Berater für eine Firma nachzugehen; nur die Nächte und die Wochenenden muss er in seiner Zelle verbringen.

Promi-Bonus ist das für Strasser keiner. Acht Wochen nach Antritt der Strafe, frühestens aber drei Jahre vor der möglichen Entlassung, sieht das Strafvollzugsgesetz den gelockerten Vollzug vor. Von 447 Insassen in Simmering (neben 80 Fußfessel-Trägern) befinden sich aktuell 94 im Freigängerhaus; davon arbeiten 32 in der Anstalt oder im dazugehörigen Garten, 62 gehen wie Strasser in Freiheit ihren Jobs nach.

Ernst Strasser, der für Einflussnahme auf Gesetzesvorhaben im EU-Parlament 100.000 Euro pro Jahr verlangt hatte, bekommt für seine Beratertätigkeit 1,88 Euro Stundenlohn. Den Rest auf den Tariflohn, den die Firma zahlt, behält die Justiz für Unterkunft, Logis und Betreuung.

90 der 447 Insassen in Simmering befinden sich gerade auf Ausgang. Ein solcher wird zur Aufrechterhaltung der sozialen Kontakte 24-mal pro Jahr gewährt und steht auch Strasser zu. Er darf 12 Stunden, bei längeren Reisewegen bis zu 48 Stunden dauern. Rechnet man alles zusammen, kann ein Häftling wie Ernst Strasser abgesehen vom Freigang für die Arbeit im Jahr bis zu 56 Tage (und Nächte) daheim bzw. in Freiheit verbringen.

Im sogenannten Entlassungsvollzug, ein halbes Jahr bis ein Jahr vor der Entlassung, kommen weitere Ausgänge von (immer wieder) jeweils drei Tagen dazu.

Wohlverhalten

Von der Art der Delikte (mit Ausnahme von Sexualstraftaten, bei denen spezielle Gutachten eingeholt werden müssen) hängen die Genehmigungen für Aus- und Freigänge nicht ab. Es kommt auf die (Un-)Gefährlichkeit des Häftlings, seine Vorstrafen und sein bisheriges (Wohl-) Verhalten im Gefängnis an.

Strasser darf darauf hoffen, nach der Hälfte der verbüßten Strafe (eineinhalb Jahre) vorzeitig bedingt entlassen zu werden. Ein Jahr vor diesem Zeitpunkt, also in vier Monaten, kann er die Fußfessel beantragen. Seine Chancen stehen gut.

Ernst Strasser hat offenbar dazugelernt. Als EU-Abgeordneter glaubte er noch, sich ungestraft Privilegien herausnehmen zu können. Nur murrend folgte er damals dem Rat seiner Mitarbeiter, sich von Motorola nicht das neuste Handy schenken zu lassen. Im Gefängnis vermeidet er tunlichst jede Extrawurst, suchte nicht einmal um Häfen-Ausgang zu Weihnachten an, dabei wäre ihm der zugestanden.

Das „Wohlverhalten“ hat sich ausgezahlt. Nach acht Wochen darf Strasser in Freiheit seinem Job nachgehen und muss nur zum Schlafen in die Zelle zurück. Das ist kein Privileg, steht im Gesetz, gilt für Hunderte Häftlinge. Und dient mit regelmäßigen Kontaktpflege-Ausgängen dazu, die Eingesperrten nicht lebensunfähig zu machen. Die härteste Zeit ist für Strasser ausgestanden. Wenn er nicht wie Kartnig durch publicityträchtige Einlagen auffällt, steht in vier Monaten die Fußfessel auf dem Programm. Und bevor jetzt jemand sagt, wir sind in Österreich zu liberal: In Deutschland bekommen sogar Lebenslange bis zu 21 Tage Hafturlaub im Jahr.

Kommentare