Invalidenstraße
Die Invalidenstraße beim Bahnhof Wien Mitte erinnert an ein ehemaliges Palais, in dem der Erzbischof von Wien 1729 ein Armenhaus einrichtete, ehe Kaiser Joseph II. es zu einem militärischen Invalidenhaus umfunktionierte. Nachdem dieses 1909 nach Lainz übersiedelt war, wurde das alte Gebäude abgerissen. Auf dem Haus Invalidenstraße Nr. 13-19 zeigt ein Mosaik die historische Situation.
Der Begriff „invalid“ ist deshalb problematisch, weil es sich dabei um die Verneinung des lateinischen Worts „validus“ (stark, kräftig, gesund) handelt. Behinderte als „Invalide“ zu bezeichnen, ist daher in Verruf geraten.
Der „Österreichische Zivilinvalidenverband“ etwa hat zwar das alte Kürzel ÖZIV behalten, er nennt sich seit mehr als zehn Jahren aber Bundesverband für Menschen mit Behinderung. Auch im Begriff „Invalidenpension“ lebt die veraltete Bezeichnung weiter; um das zu verändern, müssten die entsprechenden Gesetzestexte umgeschrieben werden. Derweil kann man sich mit kleinen Tricks helfen. „Wir sprechen meist von ,I-Pension‘, dann weiß auch jeder, was gemeint ist“, sagt ÖZIV-Sprecher Hansjörg Nagelschmidt.
Blindengasse
Der Begriff „blind“ ist unbedenklich, weshalb der Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich kein Problem mit dem Namen Blindengasse hat. Noch dazu, da dieser an das 1804 gegründete und ab 1829 in der heutigen Blindengasse angesiedelte Blindeninstitut erinnert, das erste im deutschen Sprachraum.
Taubstummengasse
Die Taubstummengasse ist klein, aber prominent: Immerhin heißt eine U1-Station nach ihr. Benannt ist sie nach dem 1779 von Joseph II. gegründeten „Taubstummeninstitut“, der weltweit ersten staatlichen Gehörlosenschule, die bis 1912 hier ansässig war.
Von den hier thematisierten Bezeichnungen ist „taubstumm“ eindeutig die problematischste. Sie ist nämlich schlicht falsch. „Gehörlose Menschen sind nicht stumm“, erklärt Helene Jarmer vom Österreichischen Gehörlosenbund (ÖGLB). „Dadurch, dass sie nicht hören, ist die Artikulation nicht reguliert, aber sie können sprechen.“
Das Problem an „taubstumm“ ist also nur das „stumm“, gegen „taub“ – wie es in den meisten anderen Sprachen heißt – spricht im Grunde nichts; warum sich im Deutschen „gehörlos“ durchgesetzt hat, weiß ÖGLB-Präsidentin Jarmer, die eine Zeitlang für die Grünen im Nationalrat saß, auch nicht .
Soll die Taubstummengasse nun in „Gehörlosengasse“ umbenannt werden? „Um Gottes Willen, nein!“, sagt Jarmer. „Der historische Name ist für uns in Ordnung. Uns ist nur wichtig, Aufklärung zu betreiben, damit die Leute mehr Bewusstsein entwickeln.“ In der U-Bahn-Station hat der ÖGLB deshalb Infotafeln installiert; auf Antrag der Bezirks-Neos wurde vor zwei Jahren auch an einem Straßenschild eine Zusatztafel angebracht.
Laut der für Straßennamen zuständigen MA 7 (Kulturamt) gab es übrigens tatsächlich bereits Anfragen wegen einer Umbenennung der Taubstummengasse. Man habe sich dagegen entschieden, weil Straßenumbenennungen „in der Regel nicht vorgesehen“ seien. Die Stadt sieht das so: „Straßennamen dienen nicht nur der Orientierung, sondern haben sich gleichsam als Dokument in die Stadt eingeschrieben.“
Und grundsätzlich ist es ja positiv, dass in Wien auch Menschen mit Behinderungen Denkmäler gesetzt werden.
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