Statt Entweihung: Caritas landet mit Kirchenschiff im Fünften
Die Kirche in der Wiener Siebenbrunnenfeldgasse.
Die denkmalgeschützten Kirchenbänke sind unter Plastik gut geschützt, auch die Orgel ist eingepackt. Es riecht nach Baustelle, Bauholz liegt am Boden, der Staub bedeckt zentimeterdick den Kirchenraum.
Nur das Mosaik „Auferstandener Christus“ der Künstlerin Clarisse Praun hinter dem Altar erfüllt das einnehmende ovale Kirchenschiff mit großer, unbändig nach oben strebender Kraft.
Der Innenraum der Kirche in der Siebenbrunnenfeldgasse.
Das Kirchengebäude wurde nach den Plänen des Architekten Josef Vytiska von 1969 bis 1971 in eine Wohnhausanlage eingebunden und im Jahre 1971 geweiht.
Doch diese Kirche „Auferstehung Christi“ war quasi dem Untergang geweiht – bis vor etwas mehr als einem Jahr die Caritas der Erzdiözese Wien darauf aufmerksam wurde, dass es Pläne gibt, die Kirche zu „entweihen“, also zu profanieren.
Pfarrgemeinde ist geschrumpft
Kein Wunder eigentlich, hat auch diese Pfarre nur noch einen Bruchteil der Mitglieder von 1971, als die Kirche entstanden ist.
Projektleiter Klemens Lesigang und Clemens Foschi, Leiter des Bereichs Kooperation und Zivilgesellschaft, geben stolz einen ersten Einblick in das einzigartige Projekt in Österreich, das der Kirche eine Art Wiederauferstehung bescheren soll.
Das „Kirchenschiff“, wie das Projekt genannt wird, soll nämlich zu einem neuen Zentrum im dichtest besiedelten Gebiet der Stadt Wien werden.
„Wir sind hier bei den Menschen“, so Lesigang zur Intention der Caritas, die sich ja aus dem Evangelium speist, das in dieser Kirche über 50 Jahre verkündigt wurde. Es sind vier Säulen, auf die die Caritas, die das Areal für 20 Jahre von der Diözese übernommen hat, dieses Projekt stellen will.
Soziales, Kultur, Nachbarschaft und Spiritualität
Eine wesentliche Säule davon sind die Sozialprojekte der Caritas. Im Kirchenschiff wird eine Lebensmittelausgabe der Caritas eingerichtet, ebenso eine Wärmestube im Winter und eine Klimaoase in der Hitze des Sommers. Sozialberatung und Deutschkurse runden das Thema ab.
Klemens Lesigang und Clemens Foschi vor der Kirche in der Siebenbrunnenfeldgasse.
Regionales Zentrum im Grätzel
Dann soll das Kirchenschiff auch zu einem neuen Zentrum im Grätzel werden. „Die Räume werden geöffnet und stehen Bewohnern, Vereinen und Initiative zur Verfügung“, erläutert Lesigang. Auch an Studierende wird gedacht, die hier in Ruhe – und mit gratis Wlan – arbeiten können.
Die dritte Säule soll auch Geld einbringen. Denn die Kirche, die mit den Nebenräumen und Geschäftslokalen, die die Caritas ebenfalls übernimmt, über 1.300 Quadratmeter Fläche bietet, soll auch als Kunst- und Kulturzentrum dienen und für Veranstaltungen, Diskussionen sowie Aufführungen vermietet werden.
Weiterhin Messen in der Kirche
Und – und das ist der Caritas besonders wichtig – das Kirchenschiff soll ein spiritueller Ort bleiben. Lesigang: „Die Pfarrgemeinde wird weiterhin ihre Messen hier feiern können.“
Auch die kleine Seitenkapelle mit dem futuristischen Tabernakel bleibt bestehen und wird vom Rest der Kirche abgetrennt, damit Menschen, die die Stille suchen, diese finden können.
Tabernakel in der Kirche in der Siebenbrunnenfeldgasse.
Aber es gehe bei dem Projekt darum, aufzuzeigen, wie derart wertvolle Räume besser für die Öffentlichkeit genutzt werden können, als für ein bis zwei Messen pro Tag.
Deshalb bleibt auch die Orgel auf der Empore erhalten. Der Beichtstuhl darunter hingegen kommt weg, dafür wird es passende „Marktstände“ geben, die für die Lebensmittel- und Kleiderausgabe benötigt werden.
„Barrierefreiheit“
Zusätzlich schafft die Caritas eine Art Barrierefreiheit auf vielen Ebenen. „Der Haupteingang bleibt erhalten, aber wir errichten seitlich einen Nebeneingang, der über eine Art Wohnzimmer mit einem Café, das von Freiwilligen betrieben wird, jenen einen einfacheren Zugang ermöglicht, die nicht direkt in die Kirche gehen wollen“, erläutert Lesigang die Intention.
400.000 Euro investiert die Caritas in die Erhaltung dieser Kirche.
Dafür gibt es auch großzügige Unterstützung über Kreislaufwirtschaftsförderungen für die Etablierung einer weiteren Kleider- und Lebensmittelausgabestelle, deren Betrieb die ersten eineinhalb Jahre auch gefördert wird.
Über ein Jahr Vorbereitung
Über ein Jahr hat die Caritas an der Realisierung des Projektes gearbeitet, dabei auch Vorbildprojekte besucht – etwa das Q1 in Bochum. „Wir wollen Mikroräume erschließen und ein Vorbild für andere Projekte sein“, bringt es Clemens Foschi auf den Punkt. Und die Caritas bleibt offen für Neues, versichert Foschi: „Sie haben Ideen, wir haben die Räume dafür.“
Und die Ideen für die Räume sollen geteilt werden – unter kirchenschiff@caritas-wien.at. Damit sie ab März auferstehen können.
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