Teuerung und Armut: Der harte Kampf ums tägliche Brot

Freiwiliige Helfer in einer Lebensmittelausgabestelle.
Anhaltende Teuerung führt zu starkem Andrang in Lebensmittelausgabestellen der Caritas. Armut verschärft sich, sagt Caritasdirektor Schwertner.

„Daily Bread“ prangt unübersehbar in der Caritas Lebensmittelausgabestelle am Gellertplatz in Favoriten, darunter sortieren Freiwillige emsig die Lebensmittel in verschiedene Boxen. 

Lea Laubenthal, Caritasdirektor Klaus Schwertner und Christoph Hofinger bei einer Pressekonferenz, über ihnen eine Kunstinstallation, auf der Daily Bread steht..

Lea Laubenthal, Caritasdirektor Klaus Schwertner und Christoph Hofinger.

Das tägliche Brot aus dem Vater unser, eine Kunstinstallation von Studierenden der TU, passt gut in die ehemalige Kirche des ehemaligen Waldklosters der Schwestern vom Göttlichen Heiland. 

Lea Laubenthal leitet das „Le+O“-Projekt der Caritas. Sie weiß, dass es immer mehr Menschen gibt, die sich nicht einmal ihr tägliches Brot gut leisten können. „2023 haben wir 8.282 Menschen versorgt, heute sind es 10.400“, schildert Laubenthal. Das sind um 26 Prozent mehr.

Kunde seit 2014

Einer von ihnen ist Jakob Heilig. Der 67-jährige Wiener ist seit 10 Jahren Kunde. „Wenn es das Le+O nicht gäbe, wäre ich nicht mehr hier“, stellt er klar, während seine Stimme bricht. Als er 2014 die Essensausgabe entdeckt hat, war er noch obdachlos. 

Jakob Heilig in einer Lebensmittelausgabestelle der Caritas.

Jakob Heilig in einer Lebensmittelausgabestelle der Caritas.

Damals hat er einer Frau im Rollstuhl geholfen, den Einkauf nach Hause zu bringen. Und ist dann selbst Kunde geworden. Oder „Gast“, wie die Caritas die Personen nennt, die sich in den Ausgabestellen mit dem Nötigsten versorgen.

"Hilft beim Überleben"

Um einen Beitrag von 4,80 Euro gibt es bei der Caritas gespendete Lebensmittel, die sonst weggeworfen worden wären. „Dafür bekommen Berechtigte Waren im Wert von rund 40 Euro“, rechnet Laubenthal vor. „Mir und meiner Frau hilft das beim Überleben“, bestätigt Heilig. Er appelliert an jene, die sich aus Scham – gerade bei Armut ein großes Thema – nicht trauen, um Hilfe zu bitten, diesen Schritt zu einer der Ausgabestellen zu wagen: „Ich bin stolz, hier zu sein, hier wird mir geholfen.“

Er bekommt derzeit 500 Euro Pension und eine Ausgleichszahlung, die Fixkosten von 1.200 Euro pro Monat gehen sich recht und schlecht aus. Heiligs offene Art, mit seiner Armut umzugehen, hat ihm schon einmal zu einem Kurzurlaub in Salzburg mit seiner Frau verholfen. „Uns hat einfach jemand eingeladen“, schildert er und die Stimme versagt ihm erneut.

"Druck auf Armutsbetroffene steigt"

Mit Jakob Heilig warnt auch Caritasdirektor Klaus Schwertner vor einer drohenden Verschärfung der Armut in Österreich. Er räumt zwar ein, dass „in Österreich niemand verhungern“ müsse, Mangelernährung sei aber an der Tagesordnung. Und der Druck steige gerade enorm. 

„Wir von der Caritas sind in Österreich an 1.600 Orten präsent“, sagt Schwertner, „wir sind damit ein Seismograph für gesellschaftliche Entwicklungen.“ Und dieser sensible Seismograph zeige die Verschärfungen für armutsbetroffene Menschen an: „Die Zahl der akut von Armut betroffenen Menschen hat sich auf einem viel zu hohen Niveau verfestigt.“ 336.000 Menschen sind betroffen, 79.000 davon sind Kinder und Jugendliche.

Teuerung und Kürzungen

Auf hohem Niveau verfestigt hätte sich die Armut, wegen der seit Jahren anhaltenden Teuerung, erläutert Schwertner: Lebensmittel, die um bis zu 60 Prozent teurer wurden, dazu viele Gebührenerhöhungen: „Für viele ist das ärgerlich, für manche existenziell. Der Sozialstaat wird löchrig.“

Schwertner warnt davor, den Rotstift wie geplant in vielen sozialen Bereichen anzusetzen und die Kürzungen durchzuziehen: „Die Politiker sollten sich gut überlegen, ob sie alle Maßnahmen in der geplanten Form umsetzen und damit für mehr Armut verantwortlich sein wollen.“

Auswirkungen auf die Psyche

Wie sich Armut auf die Psyche der Menschen auswirkt, hat Christoph Hofinger mit seinem Foresight-Institut für die Caritas erhoben. Unerwartete Ausgaben in der Höhe von 1.570 Euro können sich bereits 23 Prozent der befragten in Österreich nicht mehr leisten, das belastet. Reduziert werden deshalb soziale Kontakte: Die soziale Isolierung hat sich seit 2023 von 17 auf 33 Prozent fast verdoppelt – ein Alarmsignal, finden Schwertner und Hofinger. 47 Prozent der Befragten müssen sich beim Lebensmittelkauf einschränken.

Bei Beschäftigten, die mit ihrem Einkommen kaum auskommen, steigen psychische Belastungen wie Stress oder Gereiztheit auf den doppelten bis dreifachen Wert an. Darüber hinaus sehen Menschen die Gesellschaft an sich schlechter, je schlechter sich die eigene finanzielle Situation darstellt – 87 Prozent in dieser Gruppe sind der Meinung, dass es wenig bis gar keinen Zusammenhalt gibt. Sie fühlen sich abgehängt. 

Dabei sind sich die Befragten in einer Sache einig: 74 Prozent der Befragten wollen einen „armutsfesten Sozialstaat“ und sind dafür, dass die Politik Maßnahmen setzen solle, um große Einkommensunterschiede zu verringern.

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