Stadt Wien spart 382 Spitalsärzte ein

Bereits im Jänner protestierten Wiener Ärzte im Museumsquartier gegen die neuen Arbeitszeitregelungen
Gemeindespitäler.Geplanter Abbau von mehr als zehn Prozent der Dienststellen sorgt für heftige Kritik.

Aufregung herrscht derzeit unter den Ärzten in den Wiener Gemeindespitälern: Im Zuge der Umsetzung der neuen Dienstzeit-Modelle sollen bis 2018 nicht weniger als 382 Dienstposten reduziert werden. Das geht aus einem Papier des Krankenanstaltenverbunds (KAV) hervor, das dem KURIER vorliegt. Die Maßnahme würde bedeuten, dass das ärztliche Personal im KAV um mehr als zehn Prozent reduziert wird.

Hintergrund ist die Umsetzung der neuen Arbeitszeit-Regelung für Spitalsärzte. Seit Jänner dürfen die Mediziner statt 60 nur mehr durchschnittlich 48 Stunden pro Woche arbeiten. Als Reaktion darauf haben sich im Jänner Stadt, Personalvertreter und Ärztekammer darauf geeinigt, die Nachtdienste schrittweise um ein Drittel zu reduzieren. Der Schwerpunkt der ärztlichen Tätigkeit soll künftig zwischen sieben und 19 Uhr stattfinden.

Im Gegenzug sollen die Ärzte ein höheres Grundgehalt bekommen, um Einkommenseinbußen durch den Wegfall von Überstunden auszugleichen. Bei den Turnusärzten etwa wird es um 25 bis 29 Prozent erhöht.

Dass gleichzeitig aber auch Personal abgebaut werden soll, sorgt unter den KAV-Ärzten für Empörung: „Wien ist das einzige Bundesland, das meint, mit weniger Ärzten auskommen zu können. Es ist absurd zu glauben, dass diese Maßnahme nicht zu einer Arbeitszeit-Verdichtung und Leistungseinschränkungen führen werden“, sagt Gernot Rainer von der neuen Ärztegewerkschaft Asklepios. „Für die Patientenversorgung ist das jedenfalls ein Desaster“, warnt der Mediziner.

Im März will die Wiener Ärztekammer die rund 3000 KAV-Ärzte über das neue Arbeitszeit-Modell abstimmen lassen. Rainer geht davon aus, dass sich dabei die Mehrheit der Mediziner dagegen aussprechen wird. Er denkt aber bereits auch an Kampf- und Protestmaßnahmen.

Keine Kündigungen

Beim KAV bestätigt man die geplante Personalmaßnahme. Sie ergebe sich aus der Reduktion von Nachtdienst-Rädern, die nicht mehr benötigt werden, weil künftig die medizinische Versorgung auf die Zeit untertags konzentriert werde. Bisher musste jeder Nachmittagsposten auch in der Nacht besetzt sein – trotz des geringeren Patientenaufkommens während dieser Tageszeit.

„Am Leistungsgeschehen insgesamt ändert sich aber nichts“, kontert ein Sprecher den Befürchtungen der Ärztegewerkschaft. Die schrittweise Reduktion erfolge durch die Nicht-Nachbesetzung von Abgängen (z. B. Pensionierungen). „Kein Arzt wird gekündigt“, betont der Sprecher.

Bei der Wiener Ärztekammer, die das KAV-Arbeitszeitpaket mitverhandelt hat, fühlt man sich hintergangen: „In den kursierenden Powerpoint-Folien des KAV wird ein Verhandlungsergebnis dargestellt, das es so nie gegeben hat“, sagt Präsident Thomas Szekeres. „Die Reduzierung des ärztlichen Personals ist in diesen Strukturen völlig illusorisch und es wurde dieser selbstverständlich auch nie zugestimmt“, stellt er klar.

Ärztekammer empört

Szekeres spricht in einem Rundschreiben von einem Versuch der Stadt Wien, vollendete Tatsachen zu schaffen, was die Kammer nicht akzeptieren werde. Im Hinblick auf die geplante Abstimmung unter den KAV-Ärzten „sehen wir keinen Grund, den Kollegen eine Annahme des Ergebnisses zu empfehlen.“

Scharfe Kritik kommt auch von der Rathaus-Opposition: „Es kann nicht sein, dass die Finanzierung der Gehaltserhöhungen auf Kosten von Dienstposten geht“, sagt FPÖ-Stadtrat David Lasar. Schon jetzt sei die Personal-Situation angespannt – sowohl bei den Ärzten, als auch beim Pflegepersonal. „Die jetzt geplante Personalreduktion geht zulasten der Ärzte, vor allem aber auch der Patienten.“

ÖVP-Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec spricht von einer „Hauruck-Aktion: Gerade beim Nachtdienst hätte Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ, Anm.) in den vergangenen Jahren eine schrittweise Anpassung, zum Beispiel eine Stunde pro Jahr, durchführen müssen“.

Äußerst zäh gestalten sich die Verhandlungen zur Umsetzung der neuen Arbeitszeit-Regelung auch im Wiener AKH. Als Universitätsklinik ist für dessen 1900 Ärzte nicht die Gemeinde Wien, sondern der Bund zuständig.

Montagnachmittag trafen sich die AKH-Ärztevertreter zu einer weiteren Gesprächsrunde mit dem Rektorat der MedUni. Ein Ergebnis lag bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht vor. Auch im AKH geht es darum, wie die seit Jänner gültige Reduktion der Arbeitszeit von durchschnittlich 60 auf 48 Stunden pro Woche bei gleichbleibendem Personalstand in die Praxis umgesetzt und der Gehaltsverlust durch den Wegfall von Nachtdiensten ausgeglichen werden soll. Die Zeit drängt: Zuletzt mussten aufgrund der neuen Arbeitszeit-Regelung bereits die OP-Kapazitäten um zehn bis 15 Prozent reduziert werden.

Steht das AKH vor dem Kollaps? Wie geht es mit der Patientenversorgung und der medizinischen Forschung in Wien weiter? Darüber diskutieren hochkarätige Experten morgen, Mittwoch, bei den KURIER-Gesprächen.

Weltklassemedizin ade

Am Podium: Michael Gnant (Krebschirurg), Christoph Zielinski (Krebsforscher), Markus Hengstschläger

(Humangenetiker).

Mittwoch, 18. 2., 18 Uhr, Raiffeisen Forum, Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Platz 1, 1020 Wien. Freier Eintritt.

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