Sportwetten-Sucht: Schlechte Quoten für strengere Gesetze
Kurz vor der Fußball Europameisterschaft beschäftigt Spielerschützer wieder ein leidiges Thema: Sportwetten gelten in Österreich nicht als Glücksspiel - im Unterschied zu allen anderen EU-Ländern.
Spielerschützer und einzelne Politiker setzen sich seit Jahren dafür ein, dass sich das ändert, denn das Suchtpotenzial von Sportwetten ist hoch, wie zahlreiche Studien belegen. In Österreich sind laut Experten-Schätzungen rund 100.000 Menschen wettsuchtgefährdet.
Im Juni soll das Thema im Finanzausschuss des Parlaments behandelt werden.
Derzeit zählen Sportwetten in Österreich zur Kategorie "Geschicklichkeitsspiel", wie etwa Billiard oder Schach. Es macht also den Anschein, dass man besonderes Können oder Wissen besitzen muss, um zu gewinnen - obwohl der Ausgang von Matches und Co. ja unvorhersehbar ist. Dieses Konzept freut vor allem die Wettanbieter, denn während beim Glücksspiel 16 Prozent des Ertrags über die Glücksspielsteuer ans Finanzamt gehen, geben Wettanbieter nur 2 Prozent der Wetteinsätze ab. Das ist übrigens erst seit 2011 so, als das Glücksspielgesetz verschärft wurde und die Wettanbieter diese eigene Regulierung zugesprochen bekamen.
Warum lässt sich das Finanzamt diese Einnahmen entgehen? Mehrere Neos-Parlamentarier, allen voran Stephanie Krisper, sehen den Grund in den hohen Sponsoring-Summen, welche die Sportwetten-Branche in Österreich investiert.
Im Jahr 2022 spendierte der größte Sportwetten-Anbieter des Landes allein 1,3 Milliarden Euro für Sportevents. Zum Vergleich: Das jährliche Budget der Bundessportförderung beträgt 120 Millionen Euro. Aus politischer Sicht kann es also als durchaus verständlich angesehen werden, die Anbieter steuerlich zu entlasten. Dass alle anderen EU-Länder Sportwetten aber im Glücksspielgesetz behandeln, hat Gründe. Das Suchtpotenzial ist hoch, wie auch eine Studie zeigt, die vom Finanzministerium in Auftrag gegeben wurde. Die Handlungsempfehlungen der Experten:
"Unter evidenzbasierten Gesichtspunkten sind öffentliche Sportwettangebote mit geldwertem Einsatz und Geldgewinnmöglichkeiten als Glücksspiele zu klassifizieren. Deshalb sollten Sportwetten im rechtlichen wie politischen Sinne zur Kategorie der Glücksspiele zählen", heißt es in der Studie, die bereits 2020 fertiggestellt wurde.
"Kann Haus und Hof verspielen"
Reagiert wurde seitens der Politik ob der Ergebnisse aber nicht, was Stephanie Krisper kritisiert: "Dass die Bundesregierung hier genauso untätig ist wie beim illegalen Glücksspiel, ist verantwortungslos. Man kann auch bei Sportwetten Haus und Hof in ein paar Stunden verspielen. Der Anstieg bei Spielsüchtigen ist ein Alarmsignal. Finanzminister Brunner darf hier nicht länger tatenlos zusehen.“
In einer Anfragebeantwortung des Finanzministers Magnus Brunner (ÖVP) heißt es, dass die Regulierung von Sportwetten in der Zuständigkeit der Bundesländer liege und "eine weitergehende Regulierung auf Bundesebene ist nicht Teil des aktuellen Regierungsübereinkommens" sei.
Wetten statt Spielen
Auch das ist ein Problem für die Spielerschützer: Glücksspiel und Wetten sind in Österreich Ländersache und sehr unterschiedlich geregelt. Während in Niederösterreich und dem Burgenland auch das "Kleine Glücksspiel" - also Automaten außerhalb von Casinos - erlaubt ist, darf man in Wien und in der Steiermark nicht am Automaten zocken. Das führte dazu, dass sich die Zahl jener, die wetten, in beiden Bundesländern verdoppelt hat. Der Schritt von Automat zum Wettschein ist also klein.
In einem offenen Brief forderte nun auch die Fachstelle Glücksspielsucht Steiermark die Politik erneut auf zu handeln, und stützte sich dabei auf Zahlen der Gesundheit Österreich GmbH.
Laut der aktuellen Erhebung der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) weisen
- 4 % der Bevölkerung ein pathologisches Glücksspielverhalten auf
- mehr als 20 % der Personen, die Sportwetten betreiben, haben ein pathologisches Wettverhalten entwickelt haben.
- Die österreichischen Suchtbehandlungseinrichtungen berichten von einem Anteil zwischen 35% und 50% aller Personen mit Glücksspielproblematik, die aufgrund von Sportwetten Hilfe suchen.
- Suchtgefahr besteht vor allem bei Männern zwischen dem 18. und 30. Lebensjahr
Offener Brief „Sportwetten = Glücksspiel“ der Fachstelle Glücksspielsucht Steiermark
Derzeit liegt dem Finanzausschuss des Parlaments ein Entschließungsantrag der Neos vor, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die Empfehlungen der vom BMF in Auftrag gegebenen Studie zu "Risikopotentialen von Sportwetten" umzusetzen und "Sportwetten - entsprechend EU-Definition und in Analogie zur gesetzlichen Situation in allen anderen EU-Mitgliedstaaten - als Glücksspiel zu klassifizieren und ins Glücksspielgesetz aufzunehmen."
Die nächste Ausschusssitzung findet am 27. Juni statt, dann soll der Antrag voraussichtlich behandelt werden. Ein Tag, mit einer potenziell guten Einschaltquote für den Nationalrat: An diesem Tag ist EM-spielfrei.
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