SPÖ-Stadtrat Hacker prüft rechtliche Schritte gegen Integrationsfonds

Peter Hacker
Wiens Sozialstadtrat liegt derzeit im Clinch mit der ÖVP-Integrationsministerin. Er fordert mehr Deutschkurse und beharrt auf das Umsetzen von Gesetzen.

Vergangene Woche ist ein Streit zwischen Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) und Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) entbrannt. Ersterer hatte der Ministerin vorgeworfen, dass nicht genügend Deutschkurse vom Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) angeboten werden. Im KURIER-Interview legt Hacker noch einmal nach.

KURIER: ÖVP-Generalsekretär Nico Marchetti meinte zuletzt: „Hacker ist das Gegenteil von Hackler.“ Die Wiener FPÖ will im Herbst den bereits vierten Misstrauensantrag gegen Sie stellen. Angesichts dieses Gegenwinds: Stimmt Ihr Kurs?

Peter Hacker: Die ÖVP muss sich überlegen, welchen Kurs sie geht, ob sie Oppositionsarbeit mit Diffamierungen machen will oder ob sie, wie sie mir erzählen, kooperativ zusammenarbeiten wollen. Mich würde es beeindrucken, wenn die Opposition Fakten auf den Tisch gelegt hätte, bei denen man sagt: „Oh, interessant, so kann man das auch sehen.“ Aber das war reine Emotion und noch dazu unanständig. Das ist kein Gegenwind. Es ist nicht einmal ein Lüfterl.

Die Aussagen von Integrationsministerin Plakolm sind also keine Fakten?

Fakt ist, dass es Tausende Menschen gibt, die schriftlich vom ÖIF haben, dass sie keinen Deutschkurs bekommen. Wir haben ein Gesetz. In dem Gesetz stehen zwei Sachen drin. Ganz kurz, ganz smart, ganz unmissverständlich. Erstens: Die Menschen, die in unser Land kommen, müssen Deutsch lernen. Zweitens: Der ÖIF hat diese Deutschkurse zur Verfügung zu stellen. Das sind ganz klare Ansagen. Und ich halte beides für total gut. Aber es bedeutet auch, dass beide – die Zuwanderer und der ÖIF – ihren Job machen müssen. Fakt ist auch, dass in dem Gesetz steht, wer dafür politisch verantwortlich ist. Und das ist die Integrationsministerin. Sie muss das Gesetz umsetzen.

Und wenn die betreffenden Personen ihren Job, also die Kurse, nicht machen?

Wir sehen, auf welche Weise die Leute ihre Kurse verlieren. Darunter sind Fälle, bei denen man sich fragt, wie sich das für eine Familienpolitikerin ausgeht. Wenn Frauen zwei Wochen vor ihrer Geburt den Deutschkurs nicht mehr weitermachen und nachher wegen des Abbruchs keinen weiteren Kurs bekommen, dann finde ich dafür nicht einmal mehr ein Beschreibungswort.

Der ÖIF hat gesagt, man habe schon mehrmals bei Ihnen nachgefragt, wer denn die Leute seien, die abgelehnt werden.

Das ist doch alles lächerlich. Es gibt einen ständigen Austausch. Es gibt eine furchtbar langsame Verwaltung. Es dauert oft Wochen, bis wir von Verzögerungen erfahren. Deswegen steht ja im Bundesregierungsübereinkommen, dass der gesamte Austausch an Daten wesentlich verbessert werden muss.

Was fordern Sie?

Der ÖIF muss so viele Deutschkurse zur Verfügung stellen, dass alle Leute einen Deutschkurs kriegen. Der ÖIF ist Monopolist und hat andere Spielregeln einzuhalten als ein freier Markt. Wir hatten davor einen Wettbewerbsmarkt, jetzt einen Monopolisten. Der hat zu liefern und das verlange ich.

Der freie Wettbewerb war besser?

Wir haben seit 2017, also seitdem es diesen Monopolisten gibt, und ich sage das nicht boshaft, ein radikal anderes System. Obwohl es ein Gesetz gibt, das besagt, der ÖIF hat Deutschkurse zu liefern, haben wir als Stadt Wien in Summe 20 Millionen Euro für Deutschkurse gezahlt. Und da sage ich ganz offen: Wie kommt der Wiener Steuerzahler eigentlich dazu?

Gesundheitsstadtrat Peter Hacker beim  Gespräch mit Chronik-Ressortleiterin Agnes  Preusser.

Gesundheitsstadtrat Peter Hacker beim  Gespräch mit Chronik-Ressortleiterin Agnes 
Preusser.

Wenn Sie, wie Sie sagen, die Fakten auf Ihrer Seite haben, wie planen Sie dagegen vorzugehen?

Wir lassen das gerade juristisch prüfen. Das andere ist die politische Frage. Ich denke mir immer mehr, wie komme ich eigentlich dazu, das alles politisch argumentieren zu müssen? Wie kommen die Wiener dazu, es zahlen zu müssen? Wieso kommen Flüchtlinge aus allen Bundesländern nach Wien und haben keinen Deutschkurs? Wie ist das möglich, wenn es angeblich so toll funktioniert in den anderen Bundesländern?

Die Gegenseite würde sagen, dass Wien deswegen so viele Flüchtlinge hat, weil hier besonders viele Sozialleistungen ausgeschüttet werden.

Das ist das dümmste Argument überhaupt. Wer flüchtet denn? Von den 10 Millionen Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, haben zwischen 95 und 98 Prozent in Städten gelebt. Jetzt versetzen Sie sich kurz in die Situation von Flüchtlingen aus einer Stadt. Wohin würden Sie flüchten? Hinter die sieben Berge oder in eine Stadt? In allen Kriegen werden Städte bombardiert und darum flüchten die Menschen in Städte. Das sollte man wissen, wenn man Flüchtlingspolitik macht. Das ist nicht das, was mich überrascht.

Was dann?

Dass man das Gefühl hat, es wird nur zugeschaut. Für diese ganzen Fragen ist der Bund zuständig, dann der Bund und dann noch einmal der Bund. Und dann kommt lang nichts. Weder der Wiener Landeshauptmann noch ein anderer Landeshauptmann oder eine Landeshauptfrau saßen in Brüssel und haben dort europäische Spielregeln unterschrieben. Das hat der vorherige Bundeskanzler getan. Und wenn da drinnen steht, dass Flüchtlinge ordnungsgemäß in ganz Europa untergebracht werden müssen, dann gilt das für ganz Österreich. Deswegen verlange ich, dass vom Bund Maßnahmen kommen.

Und was muss Wien tun?

65.000 Menschen sind beim AMS gemeldet. Ich habe überhaupt kein Problem mit dem Gedanken, 65.000 Menschen weniger in der Mindestsicherung zu versorgen. Es ist aber inakzeptabel zu sagen, wir können das Problem nicht lösen und die Menschen nicht wieder in einen Job bringen, aber gleichzeitig aufzuhören, ihr Leben zu unterstützen. Was soll denn dann geschehen mit den 65.000 Leuten? Was soll geschehen mit den 40.000 Kindern? Die Aufgabe der Gemeinden ist Armutsbekämpfung. Die Aufgabe der Bundesregierung ist es, Maßnahmen zu setzen, dass Armut gar nicht erst stattfindet. Dafür haben sich Staaten überhaupt als Organisationsform gebildet.

Ein anderes Thema: der Gesundheitsbereich. Wird die Wiener Bevölkerung Sparmaßnahmen im Gesundheitsbereich spüren?

Wir sind gerade dabei, alles durchzuarbeiten. Wir schauen, dass man es in der Gesundheitsversorgung nicht spüren wird. Sparen heißt ja nicht zwingend, die Leistungen als solches zu reduzieren, sondern man kann auch sparen, indem man mit mehr Effizienz das gleiche Leistungsvolumen mit weniger Geld erbringt.

Wie steht es in der Diskussion um Gastpatienten?

Jedes Bundesland ist verantwortlich für die wohnortnahe Versorgung seiner Bevölkerung, hat aber zwei Möglichkeiten: Entweder das Bundesland baut Spitäler und bietet die Spitalsleistung selbst an oder es finanziert die Leistung in einem anderen Bundesland. Deswegen spreche ich ständig die Einladung an die Kollegen in den Bundesländern aus, über eine überregionale Planung nachzudenken. Ich verstehe, dass sich die Leute, die im Burgenland oder in Niederösterreich leben, aber in Wien hackeln, denken, wie komme ich eigentlich dazu, dass ich der Gegenstand von so einem Trara bin und konkret negative Auswirkungen spüre?

Spüren Sie Bewegung in den anderen Bundesländern?

Nein.

Also bleibt es bei der Einladung?

Deswegen gibt es eine ständige Reduktion der Bereitschaft zur Finanzierung der Behandlung von Gastpatienten. Und da sind wir noch lange nicht am Ende der Möglichkeiten. Eigentlich sind wir erst am Anfang.

Blicken Sie optimistisch in die nächsten fünf Jahre?

Wenn wir uns alle anstrengen, und das heißt wirklich alle, dann ja.

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