Spital "überfordert", Patientin tot

Spital "überfordert", Patientin tot
Wienerin starb am Entlassungstag, ihr Mann vermutet eine Überdosis Medikamente.

Am Tag der geplanten Entlassung seiner Frau aus dem Krankenhaus Hietzing teilte ein Arzt dem Wiener Wilfried Möller mit: "Sie wird die Nacht nicht überleben." Das war das vorzeitige Ende einer 48-jährigen Ehe.

Die 71-jährige Erika Möller hatte sich im Februar 2014 einer Herzoperation unterzogen; als Privatpatientin mit Zusatzversicherung, nebenbei bemerkt. Der Eingriff verlief gut, doch die Patientin klagte über Sehstörungen am rechten Auge. Ein Neurologe stellte als Ursache ein Blutgerinnsel im Kopf fest.

Trotzdem wurde Erika Möller bald von der Überwachungsstation auf die normale Station verlegt und samt Blutgerinnsel für die Entlassung nach Hause vorbereitet. Man verordnete ihr eine sogenannte Triple-Therapie an blutverdünnenden Medikamenten aus ThromboAss, Lovenox und Marcoumar.

Vierfaches Risiko

Das Blutungsrisiko steigt dabei um das Vierfache, wie ein von der Wiener Patientenanwaltschaft um Einschätzung gebetener Arzt später in seinem Bericht ausführte.

Als Wilfried Möller seine Frau am 10. März 2014 im Spital besuchte und erfuhr, dass sie zwei Tabletten Marcoumar nehmen sollte, erschrak er. Der Ehemann hielt das für zu viel. Er selbst nimmt auch dieses Medikament, um Thrombosen oder einen Herzinfarkt zu verhindern. Aber dass es je so eine hohe Dosis war, daran konnte er sich nicht erinnern. Seine Frau meinte damals: "Die müssen es ja wissen."

Am 11. März sollte Erika Möller entlassen werden. Als ihr Mann mittags kam, fand er sie zittrig und mit Kopfschmerzen vor. "Ihr war heiß und kalt zugleich, sie erbrach sich." Sie sei zwar stets "ein Stehaufmännchen" gewesen, aber "so können wir nicht heimfahren", sagte er. Ein Arzt überprüfte ihr Herz und befand alles für in Ordnung. Später kam ein Kollege von der Neurologie und ordnete eine Computertomografie an. Doch das dauerte Stunden.

Es geht um Sekunden

"Ich habe nicht den Eindruck, dass die versucht haben, das Leben meiner Frau zu retten", sagt Herr Möller zum KURIER: "Weil da geht es doch um Sekunden."

Der Neurologe leuchtete Frau Möller mit einer Taschenlampe in die Augen und informierte ihren Mann, dass sie bald sterben werde. Gegen Mitternacht war seine Frau tot.

"Ich gehe frohen Mutes hin, um sie abzuholen, und dann stirbt sie am Tag der Entlassung", kann es Wilfried Möller noch immer nicht fassen: "Jetzt bin ich ganz allein."

Seit mittlerweile drei Jahren nagt das an ihm: "Dass man meiner Frau so einen Pfusch antut, hat sie sich nicht verdient", sagt der 82-Jährige. Der ehemalige Baumeister lebt nun "aus der Mikrowelle. Meine Frau hat den gesamten Haushalt geführt, unsere Urlaube geplant, alles organisiert".

Spital "überfordert", Patientin tot
Mit Unterstützung des engagierten Rechtsanwalts Gerold Beneder klagt Möller jetzt den Wiener Krankenanstaltenverbund auf 37.000 Euro Trauerschmerzensgeld und Schadenersatz. "Ich bin ihr das schuldig, dass das vor Gericht untersucht wird", sagt der Witwer.

Die Patientenanwaltschaft artikuliert in ihrem Bericht "den Eindruck einer Überforderung des Krankenhauses und der handelnden Personen". Die Herzchirurgie habe sich mit der Neurologie nie bezüglich der Abstimmung der Medikamente abgesprochen.

Die Kombination der drei blutverdünnenden Mittel erscheint daher "als Ursache für die tödliche Hirnblutung wahrscheinlich". Deshalb könne "den Ausführungen des Gatten der Patientin, möglicherweise sei zu hoch dosiert worden, nicht widersprochen" werden.

Mit dem Schlusssatz: "Eine Fahrlässigkeit kann jedoch nicht nachgewiesen werden" versucht die Patientenanwaltschaft für das Spital gerade noch die Kurve zu kratzen. Die Entscheidung über eine Fahrlässigkeit wird aber freilich dem Gericht überlassen bleiben.

Kommentare