Später Prozess um Unglück auf Baustelle Lainzer Tunnel

Später Prozess um Unglück auf Baustelle Lainzer Tunnel
Bein verloren: Neun Jahre, nachdem Lkw einen Arbeiter überrollte, sitzen die Bauleiter auf der Anklagebank.

Seit fast neun Jahren wartet ein damals 28-jähriger Bauarbeiter darauf, dass für einen schweren Arbeitsunfall im Lainzer Tunnel jemand zur Verantwortung gezogen wird. Und dass er endlich Schadenersatz, Pflegegeld sowie Schmerzensgeld bekommt, worum sein Anwalt Sebastian Lesigang kämpft.

Später Prozess um Unglück auf Baustelle Lainzer Tunnel
Der Anwalt findet die lange Wartezeit für das Opfer "unzumutbar".

Man hatte Ing. Michael O. damals den rechten Unterschenkel amputieren müssen, nachdem er von einem 38 Tonnen schweren Muldenkipper überrollt worden war. Mitte Mai wird drei Bauleitern, einem Baustellenkoordinator und einer Sicherheitsfachkraft im Wiener Landesgericht der Strafprozess wegen fahrlässiger Körperverletzung gemacht.

Zusätzlich sind zwei Baufirmen nach dem selten angewendeten Verbandsverantwortlichkeitsgesetz mitangeklagt, sicherheitstechnische Verpflichtungen missachten zu haben; die Staatsanwaltschaft fordert eine Geldbuße.

Keine freie Sicht

Auf der unter Tag geführten Großbaustelle zur Errichtung des Lainzer Tunnels bewegten sich schwere Baumaschinen, ohne dass deren Fahrer freie Sicht auf die dort beschäftigten Arbeiter gehabt hätten. Es fehlten Betonleitwände zur Abgrenzung der Fahrwege und der Gehwege. Seit dem 30. Oktober 2007 war es deshalb bereits zu vier Arbeitsunfällen gekommen, laut Anklage (die dem KURIER vorliegt) wurden trotzdem nicht die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen ergriffen.

Am 15. Juli 2008 wurde Michael O. mit dem Reifen eines Muldenkippers überrollt, weil ihn dessen Fahrer übersehen hatte. Der Arbeiter erlitt mehrere Brüche des Beckens, des Oberschenkels, einer Gelenkspfanne sowie Quetschungen und verlor sein rechtes Bein.

Der Fahrer wurde vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen, er hatte Michael O. im toten Winkel gar nicht sehen können.

Die nachfolgenden Ermittlungen gegen die Verantwortlichen der Großbaustelle zogen sich jahrelang hin. Der Sachverständige für technisches Unfallwesen und Arbeitsschutz, Martin Dür, erstattete ein Gutachten, worauf sich die Anklage jetzt stützt: Demnach fehlte auf der Baustelle ein Gesundheitsschutzplan mit Warnhinweisen, Betretungsverboten und einer Koordination zwischen Fahrzeugen und Arbeitern. Die Muldenkipper waren nicht mit Warneinrichtungen und speziellen Rückspiegeln ausgestattet, und es gab keine Einweiser. Prozessstart ist am 16. Mai.

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