Späte Aufregung um mutmaßlichen IS-Prediger

Ebu Tejma gilt als zentrale Figur der Salafistenszene.
Behörden bestätigen KURIER-Bericht: Ebu Tejma soll Schlüsselfigur des Dschihadismus sein.

Wie der KURIER bereits vor einer Woche berichtete, halten die Ermittlungsbehörden den verhafteten Salafisten-Prediger Mirsad O. alias Ebu Tejma für eine Schlüsselfigur des Dschihadismus. Nun macht diese, im Beschluss des Grazer Landesgerichts über die Verhängung der U-Haft festgehaltene Einschätzung, medial die Runde.

Eineinhalb Jahre wurde der in zwei Wiener Moscheen und als Gastprediger in einem Grazer Verein lehrende 33-Jährige observiert. Der gebürtige Serbe soll durch seine "Ideologisierungsarbeit eine zentrale Stellung bei der Anwerbung" junger Muslime eingenommen haben, steht in dem Gerichtsbeschluss, der dem KURIER vorliegt.

Mindestens 14 namentlich angeführte Zuhörer aus Österreich – und via Übertragung seiner Predigten im Internet wahrscheinlich noch viel mehr – soll Ebu Tejma in den "Heiligen Krieg" nach Syrien gelockt haben. In den Grazer Vereinsräumen sollen die Angeworbenen eine "ideologische und körperliche Grundausbildung", also quasi ein Fitnessprogramm für den Dschihad, bekommen haben. Von drei an den Umgang mit Waffen und Sprengstoff geschulten Rückkehrern geht laut den Ermittlern eine besondere Gefahrenlage aus.

Ebu Tejma steht außerdem im Verdacht, 20.000 Euro gesammelt und über türkische Mittelsleute an den IS (Islamischer Staat) überwiesen zu haben. Sein Verteidiger Lennart Binder bestreitet die Vorwürfe, Ebu Tejma habe Menschen sogar davon abgehalten, nach Syrien zu reisen.

Zuerst das Fressen, dann die Moral. An Berthold Brechts Ausspruch halten sich Anwälte nicht. Entgegen der landläufigen Meinung von der "Elite ohne Moral", die für Geld jedem zur Seite steht, sind Rechtsanwälte mitunter wählerisch. Das bringt Probleme mit sich: Denn die Rolle der Advokaten im Rechtsstaat ist es, Gerechtigkeit herzustellen und dazu beizutragen, den Beschuldigten nur jene Strafe zukommen zu lassen, die angemessen ist.

Um die mutmaßlichen Dschihadisten, die mehr und mehr die Gefängnisse füllen, herrscht unter den Strafverteidigern kein Griss. "Ja, mir ist auch schon negativ aufgefallen, dass diese Klienten schwer einen Wahlverteidiger finden", sagt Elisabeth Rech, Vizepräsidentin der Wiener Anwaltskammer: "Aber die müssen auch verteidigt werden, die könnten ja auch unschuldig sein."

Kritik an Polizei

Zwei Ausnahmen gibt es in WienLennart Binder und Wolfgang Blaschitz. Binder vertrat bereits Mohamed Mahmoud wegen Terrorverdachts. Im Prozess 2008 übte er scharfe Kritik an der Polizei, die einen Terrorverdacht konstruiert habe, um die erstmals eingesetzten Ermittlungsmethoden zu rechtfertigen. Und er rügte die Auswahl der Geschworenen, bei der Leute mit moslemisch klingenden Namen wie Yussuf, Achmed, Ali übergangen worden und nur Irmgards und Lottes aus der Liste gepickt worden seien. Damals war noch nicht absehbar, dass Mahmoud, der Wiener mit ägyptischen Wurzeln, zu einer zentralen Propaganda-Figur für das IS-Terror-Kalifat werden würde.

Als der KURIER Binder am Freitagnachmittag erreicht, ist er gerade am Weg zum inhaftierten Prediger Ebu Tejma (siehe Bericht links), den er bereits in Medienverfahren gegen zwei Zeitungen vertreten hat. "Ich kann noch nichts zum aktuellen Fall sagen", sagt Binder.

Anwalt Wolfgang Blaschitz wurde dadurch bekannt, dass er 1996 zu Versuchszwecken mit einem Betonklotz am Bein in die Donau sprang. Er wollte beweisen, dass sich das von seinem Mandanten ertränkte Mädchen ans Ufer hätte retten können. In letzter Zeit "sammelt" Blaschitz mutmaßliche Dschihadisten, er hält jetzt bei drei. Die Tante eines Verhafteten hatte gelesen, dass er einen Fußballer im Wettbetrugsfall um Dominique Taboga vertritt, und hat ihn beauftragt. So fing es an. Hat er kein Problem mit so einer Verteidigung? "Nein, weil meine Mandanten keiner Fliege was zuleide getan haben. Jeder Ladendieb ist gefährlicher." Wenn jemand kommt, der Fotos ins Netz stellt, "wie er einen abgeschnittenen Kopf in der Hand hält", fliegt er freilich hinaus.

Auch die Hypothese, wonach mediale Aufmerksamkeit Rechtsanwälte anlockt, trifft bei den mutmaßlichen Dschihadisten nicht zu. Zum Beispiel der Fall des 14-Jährigen, der angeblich gedroht hat, den Westbahnhof zu sprengen. Internationale Medien berichteten darüber, heimische füllten damit Titelseiten. Selbst Ermittler waren verwundert, dass kein Promi-Anwalt das Mandat übernahm. Der 14-Jährige, der nach zwei Wochen U-Haft freigelassen wurde, erhielt vom Staat einen Pflichtverteidiger gestellt.

Ernst Schillhammer meint, es werde in Anwaltskreisen keineswegs als unanständig gesehen, bestimmte Delikte zu verteidigen. Einen solchen "Ehrenkodex" dürfe es gar nicht geben. Der Strafverteidiger berichtet von einer Anwaltstagung kurz nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001. Der Chef der deutschen Anwaltsvereinigung erklärte damals, falls die Attentäter vor Gericht kämen, hätten sie trotz allem die beste Verteidigung zu erhalten. Das sei man dem Rechtsstaat schuldig. Nach kurzem Atemholen gab es unter den anwesenden Juristen Applaus.

Lieber Staatsanwalt

Die Realität sieht anders aus. Taten, die im gesellschaftlichen Diskus besonders verwerflich sind, sind es auch bei Verteidigern. Wolfgang Mekis (früher Ankläger) lehnt die Verteidigung von sexuellem Missbrauch von Kindern ab, wenn er überzeugt ist, dass der das wirklich gemacht hat. "Da wäre ich lieber wieder Staatsanwalt." Auch bei Dschihadisten, "die den Islam missbrauchen", zieht Mekis eine Grenze. "Da würde schon meine Frau einen Aufstand machen." Sie ist Muslima, stammt aus Ägypten.

Martin Nemec, als Anwalt im Telekom-Prozess bekannt, will "bei Dschihadisten oder Mafia nicht anstreifen". Schon aus Gründen "der persönlichen Sicherheit", wobei er noch den Wiener Rechtsanwalt Erich Rebasso im Hinterkopf hat, der von zwei Russen ermordet worden ist. Er sei mit Leib und Leben Anwalt, will aber nicht das eigene Leben aufs Spiel setzen. Und wenn schon, dann nur, wenn es sich auszahlt. Das Honorar muss so groß sein, dass es "vom Kosten-Nutzen-Verhältnis" dafür steht.

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