Sozialarbeit: Nachtschicht auf der Donauinsel
Wenn sich die Menschen in Wien endlich zur Ruhe oder zu ihrem abendlichen Amüsement begeben, geht Susanne Peter zu ihrem Einsatzfahrzeug. So wie der kleine weiße Bus hat auch die Streetworkerin schon einige Jahre für die Caritas-Wien abgespult.
Noch einmal prüft sie, ob alles an Bord ist. Seit dem Sommer des Vorjahrs, als wehrlose Obdachlose in drei Wiener Nächten Opfer von Gewaltverbrechen wurden, hat die Helferin immer auch Trillerpfeifen zum Abschrecken dabei.
Die Ausgangslage: Obdachlose Menschen in Wien sind nicht nur in der kalten Jahreszeit auf die Hilfe von anderen angewiesen. Durch den Einsatz der Streetwork-Teams der Caritas können jene, die auf der Straße
übernachten, akut versorgt und bei Bedarf in Notquartiere vermittelt werden. Motto der Caritas: Jede Spende hilft!
Das konkrete Angebot: Caritas Wien: Raiffeisenbank IBAN: AT16 3100 0004 0405 0050; Kennwort: Gruft.
Einsatz im Dunklen
„Die Arbeit in der Nacht ist für uns im Streetwork sehr wichtig, da sich die Menschen, die wir betreuen, dann an ihren Schlafplätzen aufhalten und wir sie tendenziell leichter antreffen“, erklärt Susanne Peter, während sie den Bus zu einem ersten nächtlichen Hotspot im Wohnungslosen-Wien steuert.
Sie kennt die Plätze, und sie kennt die Menschen, die dort versuchen, möglichst lebend und unbeschadet den darauf folgenden Tag zu erleben. Was mit Fortdauer extrem viel Substanz kostet.
In der Szene kennt man auch „die Susi“. Über die Jahre hat sie sich mit ihrer offenen furchtlosen Art, aber auch mit ihrer Unnachgiebigkeit, wenn es um konkrete Hilfestellung geht, einiges an Vertrauen im Milieu aufgebaut.
So weiß die erfahrene Sozialarbeiterin oft genau, unter welchen Brücken auf der Donauinsel oder auch im Wiental Klienten und Klientinnen anzutreffen sind. Nie vergisst Susanne Peter zu fragen, wie es geht und ob was konkret gebraucht wird. Selbst Hartgesottene lächeln sanft.
Auch wenn sie Susis Angebot, in der „Gruft“ oder in einer anderen Notschlafstelle zu übernachten, heute partout nicht annehmen wollen, wer weiß, vielleicht kommen sie im Herbst darauf zurück, wenn die Temperaturen neben dem Donauwasser unter null Grad sinken.
Ängstlich wirkt die Mitarbeiterin mit dem roten Caritas-T-Shirt bei ihren Einsätzen an den dunklen Orten der Stadt nicht, zumindest nicht auf andere.
Doch wie sieht es in ihrem Inneren aus? Die Streetworkerin überlegt nur kurz, dann sagt sie: „Die eigene Sicherheit im Auge zu behalten, ist ganz wichtig. Deshalb sind wir bei unseren Einsätzen immer zu zweit unterwegs. Ich habe auch gelernt, auf mein Bauchgefühl zu vertrauen – die meisten Situationen können so gut eingeschätzt werden.“
„Eine Nachteule“
Nachtarbeit ist anstrengend, greift mit der Zeit auch die Gesundheit der in der Nacht Arbeitenden an. Dies geht aus unzähligen Studien der Arbeitssoziologie hervor. Wie schafft es Susanne Peter, sich bestmöglich nach ihren nächtlichen Einsätzen zu regenerieren? „Ich bin grundsätzlich eine Nachteule, deshalb macht mir die Arbeit in der Nacht nichts aus. Wichtig ist dabei, dass man sich trotz der späten Stunde nach der Arbeit noch Zeit nimmt, um zu entspannen und runterzukommen, bevor man schlafen geht.“
Ihre Einsätze auf der Straße enden oft erst weit nach Mitternacht, und auch nicht mit der letzten Intervention. Am Ende muss die Caritas-Mitarbeiterin noch den Bus zurückbringen. Die Protokolle ihrer Arbeit wird sie erst am Vormittag finalisieren.
Es kann daher zwei oder drei Uhr in der Früh werden, bis sie endlich heimkommt. Bis sie einschläft, vergehen dann ein bis zwei weitere Stunden.
Jeder Abend und jeder Einsatz ist anders, erklärt Susanne Peter. „Oft schlafe ich ein und freue mich, dass ich Klienten und Klientinnen helfen konnte. Aber es gibt natürlich manchmal auch brenzlige Situationen, die einen länger beschäftigen.“ Das Wichtigste in ihrem Job beschreibt sie so: „Dass man mit den Menschen mitfühlt, aber nicht mitleidet.“
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