„Dann bist du Jamaika“
Die Wiener Rennläufer fahren hauptsächlich gegen ihresgleichen, bei manchen Rennen sind auch Läufer aus Niederösterreich und dem Burgenland am Start. Bei den Österreichischen Meisterschaften dürfen sich die besten Wienerinnen und Wiener mit der nationalen Elite messen.
Bei FIS-Rennen treten manche sogar gegen internationale Konkurrenz an. Danach käme dann schon der Europacup und schließlich der Weltcup, aber so weit nach oben hat es noch nie ein Skirennläufer oder eine Skirennläuferin aus Wien geschafft; nicht einmal in einen bundesweiten ÖSV-Kader.
Dabei gibt es auch unter Wiener Skirennläufern begnadete Talente mit exzellenter Technik. Aber die Konkurrenz aus dem Westen ist eben übermächtig. Oder? „Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit sehr viel geringer, von Wien aus ein Weltcupfahrer zu werden, der vom Skisport leben kann“, sagt Roland König, der Präsident des Wiener Skiverbands (WSV). „Aber es ist möglich, wenn man es wirklich will.“
Seit König das Amt vor zwei Jahren übernommen hat, versucht er, den jungen Skisportlern möglichst gute Rahmenbedingungen zu bieten. Im Winter seien sie früher fast nur Rennen gefahren, sagt er. Jetzt organisiert der Verband unter der Woche regelmäßige Flutlicht-Trainingseinheiten in den umliegenden Skigebieten. Am Dienstag geht’s nach St. Corona, am Donnerstag auf den Hirschenkogel, am Freitag aufs Stuhleck. (Für die 38 besten Nachwuchsläuferinnen und- läufer, die für den Landeskader nominiert sind, gibt es eigene Trainings.)
„Unser Angebot wird gut angenommen“, sagt der WSV-Präsident. „Da sind immer so 20, 30 Kinder bei den Trainings. Und man sieht auch schon erste Effekte.“
Der Wiener Skiverband hat 3.640 Mitglieder, in Tirol sind es 39.190. Man kann sich also ausrechnen, wie es um das Standing des WSV innerhalb des ÖSV bestellt ist. „Wir haben halt nur 3 Prozent der Stimmen“, räumt König ein. „Aber sportlich hängt es von den Leistungen ab. Wenn du in einem Lauf 20 Sekunden Rückstand hast, bist du Jamaika. Aber in dem Bereich, wo wir uns gerade bewegen, sind wir voll dabei.“
Fragt man Elmar Gipperich nach dem Stellenwert der Wiener im ÖSV, bekommt man eine diplomatische Antwort: „Sagen wir so: Wir haben uns durch Wissen und Fleiß ein ganz gutes Standing erarbeitet. Als ich noch aktiv war, war ich zum Beispiel Mitautor der Wettlaufordnung.“ Der 82-jährige Funktionär war mehr als 40 Jahre lang Vizepräsident und Alpinchef beim WSV. „Das Problem ist, dass viele unserer Skirennläufer auf Eliteschulen gehen, zu den Schotten oder ins Theresianum, und denen ist die Ausbildung wichtiger als das Skifahren“, sagt Gipperich, der übrigens auch selbst findet, dass der Skisport nur eine „Nebensache“ sei. Dafür hat er ihm ganz schön viel Zeit gewidmet. Er ist immer noch Obmann des größten Wiener Skiclubs UKS-AMS, der aus einer Neigungsgruppe der Albertus-Magnus-Schule im 18. Bezirk hervorgegangen ist. In einem Gassenlokal in der Gentzgasse hat sich der Club eine Kraftkammer eingerichtet.
Ja ja, die Weana!
Weil er nach dem Interview noch pumpen will, hat Max Bergmayer für das Treffen mit dem KURIER ein nahe gelegenes Café ausgesucht. Mit seinen 24 Jahren ist er ungewöhnlich alt für einen Wiener Skirennfahrer; die meisten beenden spätestens nach der Matura ihre Karriere.
Max Bergmayer und sein Zwillingsbruder Bernhard waren von klein auf so skibegeistert, dass die Eltern sie schon mit fünf beim Wintersportverein Semmering angemeldet haben. „Dort habe ich eine solide Grundtechnik gelernt.“ Als sie auf die Albertus-Magnus-Schule kamen, wechselten sie zum UKS-AMS. Bei den Rennen waren jetzt auf einmal nur noch Wiener am Start. „Es gab keine Gegner mehr.“
Eine Zeitlang fuhr Max Bergmayer mit seinem Freund Gerhard Unterganschnigg, der inzwischen die Karriere beendet hat, zu den Rennen. „Bei Österreichischen Meisterschaften haben wir grundsätzlich die letzten beiden Startnummern bekommen, und die aus dem Westen haben gesagt: Ja ja, die Weana! Als wir dann im Mittelfeld gelandet sind, haben sie geschaut. Den Gerry und mich hat das angespornt, dass wir als Wiener die anderen ein bissl herputzen.“
Mit 18 war Bergmayer bei den Österreichischen Meisterschaften im Riesentorlauf am Start, zusammen mit Granaten wie Manuel Feller oder Marco Schwarz. Er ging mit einer dreistelligen Nummer ins Rennen und verlor im ersten Durchgang sieben Sekunden auf die Bestzeit. „Da hab ich gemerkt, was so ein Weltcupläufer wirklich draufhat.“
In den letzten Jahren hatte Bergmayer eine Verletzungsserie (Schulter, Knie), inzwischen aber ist er wieder fit. Häufig startet er heute bei den sogenannten FIS-CIT-Rennen. Das war ursprünglich eine Rennserie für Athleten aus Großstädten (das CIT steht für „citizen“), inzwischen wurde das Reglement aufgeweicht, und die früheren Städterennen dienen heute hauptsächlich als internationaler Einstieg für Nachwuchsläufer.
Druck statt Freude
Bergmayers bisher bestes Saisonresultat war ein 35. Platz beim FIS-CIT-Slalom in Pontresina (Schweiz). Die ganz große Karriere wird es für ihn wohl nicht mehr spielen. Wer weiß, wie weit er es als Tiroler gebracht hätte? Trotzdem ist Bergmayer bei den Skirennen immer wieder froh, dass er Wiener ist. Während man den Kollegen aus dem Westen den irrsinnigen Druck anmerkt, weil die interne Konkurrenz so stark ist, haben die Wiener ihren Spaß.
Einmal habe es bei einem Rennen so stark geschneit, dass der zweite Durchgang abgesagt wurde, erinnert sich Max Bergmayer. „Die anderen waren angefressen und sind heimgefahren. Wir Wiener sind powdern gegangen“.
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