Wenn Bücher statt Zeugen sprechen
Geh zu deiner Mutter. Sie wird dir erklären, was zu tun ist.“ Aus dem Zusammenhang gerissen, ein ganz gewöhnlicher Satz. Für ein jugendliches, abgemagertes, jüdisches Mädchen war dieser Satz, der schönste ihres Lebens. Sie durfte bei ihrer Mutter bleiben.
Schneiders Zuhörer sind in dem Alter, in dem die Shoa-Überlebende war, als ihre diese Dinge wiederfuhren. Anlässlich der Ausstellungseröffnung „Exlibris / Spuren des Wissens und der Erinnerung in den Büchern der Historikerin und Shoah-Überlebenden Gertrude Schneider“ holte der Jewish Welcome Service die Autorin der Werke nach Wien. Am Dienstag trag sie zwei Klassen der PTS 15 (Polytechnische Schule, 15. Bezirk) in der Hauptbücherei am Urban-Loritz-Platz zum Gespräch.
Fragestunde
Als Schneider die Schüler zum Fragen auffordert, herrscht zunächst nervöses Schweigen. Ein paar Mutige gibt es dann doch. „Welche Rolle spielte die Religion in ihrem Leben?“ – „Woher kam dieser Hass gegen die Juden?“ – „Wie war die Zeit, als sie wieder zu Hause waren?“
Schon schlimm, wie das damals war, findet der 15-jährige Alexander Hartwagner. Sein Opa hat ihm gestern auch erst von seinen Erlebnissen im Krieg erzählt. Wie sie ganz schnell in den Kellner laufen mussten, wenn auf einmal die Sirenen läuteten. Das kann man sich doch gar nicht vorstellen.
Man muss es sich aber vorstellen, findet Gertrude Schneider. Selbst, wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt, die einem die Geschehnisse vor Augen führen. Sie selbst ist 86 Jahre alt. Ihre Schwester Rita, die das Ghetto ebenfalls überlebte, ist diesen Sommer verstorben.
Gemäß dem Motto "Bücher sollen sprechen, wenn die letzten Zeugen schweigen" übergab Gertrude Schneider, ihre Bücher an die Wolfgang Suwelack-Stiftung in Billerbeck. Diese Stiftung organisiert eine Ausstellung, die seit Februar vergangenen Jahres in Deutschland und Österreich Station macht.
Die Wanderausstellung wird bis 31. Oktober in der Hauptbücherei zu sehen sein.
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