"Shalom" und "Salam" gegen Vorurteile

Golda Schlaff, Sonia Feiger und Miriam Tenner von Shalom Aleikum
Jüdischer Verein "Shalom Aleikum" für Einsatz für "mehrheitlich muslimische Flüchtlinge" geehrt.

"Sie sind immer für uns da. Egal, was wir brauchen" sagt Kais. Da, wo er herkomme, gebe es auch Christen und Juden neben den Muslimen, erzählt er, noch bevor er überhaupt gefragt wurde. Aber nicht alle seien so offen wie er. "Dabei sind wir alle nur Menschen", sagt Kais.

Vor achteinhalb Monaten ist er mit seiner Frau Muntaha und den beiden Söhnen nach einer insgesamt sieben Jahre andauernden Flucht aus dem Irak in Österreich angekommen. Seitdem lebt die Familie im Haus Handelskai von Wieder Wohnen und wird unterstützt vom Verein "Shalom Aleikum – Jewish Aid for Refugees".

"Shalom Aleikum" ist kein Tippfehler, wie oft gemutmaßt wird. Es ist eine bewusste Symbiose aus dem hebräischem "Shalom" und dem arabischen "Salam Aleikum" – beides Begrüßungsformeln. Denn der Vorstand des Vereins besteht aus sechs Jüdinnen (Golda Schlaff, Sonia Feiger, Miriam Tenner, Verena Krausneker, Melinda Rustad, Sarah Veit), die im Sommer 2015 beschlossen haben, den mehrheitlich muslimischen Flüchtlingen zu helfen.

"Shalom" und "Salam" gegen Vorurteile
Preisträgerinnen vl Golda Schlaff, Verena Kausnecker, Sonja Feiger, Sarah Veit, Melinda Rustard und Miriam Tenner
Zunächst brachten sie koscheres Essen zum Westbahnhof (was koscher ist, ist auch halal, Anm.) und engagierten sich dort im Kids-Corner. Doch bald war klar, dass die Frauen "nachhaltig" helfen wollten: Seit fast zwei Jahren begleiten sie nun Flüchtlinge bei Behördenwegen, zu Asylinterviews, zum Kinderarzt. Sie helfen bei der Wohnungssuche, besorgen Computer, Kindergartenplätze und Kleidung und sind da, wenn man sie braucht. Gemeinsam mit den Flüchtlingen wurde das Pesach-Fest gefeiert, am jüdischen Friedhof in Währing Unkraut gejätet und es wurden Sight-Seeing-Touren unternommen. "Wir sind zu einer Art Familie geworden", sagt Sonia Feiger.

Am Mittwoch wurden die Frauen von "Shalom Aleikum" mit dem Leon Zelman Preis des "Jewish Welcome Service" ausgezeichnet. Die Jury würdigte das zivilgesellschaftliche Engagement von Shalom Alaikum für mehrheitlich muslimische Flüchtlinge. "Mit ihrem emphatischen und solidarischen Handeln trägt die Initiative durch Dialog und Verständigung zum Abbau von Vorurteilen und Antisemitismus aber auch zu mehr Menschlichkeit bei". Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister hielt die Laudatio.

Antisemitismus

Dass die jüdischen Frauen den vor allem muslimischen Flüchtlingen helfen, brachte ihnen viel Lob für ihren "Mut" ein. Aber warum eigentlich? "Gegen Israel zu sein, ist der dominante Grundkonsens in der arabischen Gesellschaft", sagt Soziologe Kenan Güngör. Dieser politische Antisemitismus sei "entzündbar", weil der Konflikt zwischen Juden und Muslimen dadurch nach Österreich gebracht würde. "Wir haben es hier mit manifester Ablehnung zu tun, das müssen wir im Auge behalten."

Erst kürzlich ging aus einer Studie der Pädagogischen Hochschule Wien hervor, dass Vorurteile gegenüber Juden bei muslimischen Berufsschülern besonders stark ausgeprägt sind. In der von Güngör durchgeführten Untersuchung über Jugendliche in den Wiener Jugendzentren aus dem Jahr 2016 zeigten 48 Prozent der befragten Muslime eine "abwertende Haltung" gegenüber Juden. Rabbiner Hofmeister gibt zu bedenken: "Ich bin mir sicher, dass auch 40 Prozent der österreichischen Jugendlichen Vorurteile gegenüber Juden haben."

"Shalom" und "Salam" gegen Vorurteile
Flüchtlingshilfe, Shalom Alaikum
Die Frauen von "Shalom Aleikum" hätten jedenfalls keine schlechten Erfahrungen mit den muslimischen Flüchtlingen gemacht, auch "wenn die meisten von ihnen noch nie vorher einen Juden gesehen haben", erzählt Miriam Tenner. Deshalb hätten sich die Frauen im Haus Handelskai auch zuerst einmal vorgestellt: "Wir sind Juden und wollen euch helfen", erzählt Tenner. Dann hätten sie auf eine Reaktion gewartet, aber dass Jüdinnen Muslimen helfen, sei für alle in Ordnung gewesen.

Nur einmal hätte sich ein Mann aus dem Irak freundlich für die Hilfe bedankt, aber gleichzeitig relativiert, dass das ja nicht so schwierig sei, weil "Juden ja ohnehin so viel Geld haben". Und auf Facebook sei den Frauen "zionistische Einvernahme" vorgeworfen worden. "Aber Vorurteile gegenüber Juden gibt es auch in Österreich noch immer", sagt Sonia Feiger. Erst vorige Woche, erzählt Golda Schlaff, sei sie von einer Österreicherin gefragt worden, ob es stimme, dass Juden keine Steuern zahlen müssen.

Spendenkonto "Shalom Aleikum - Jewish Aid for Refugees":

IBAN: AT30 2011 1284 2476 7201

BIC: GIBAATWWXXX

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