Missbrauch in Pfarre Schwechat: Kirche zahlt bis zu 25.000 Euro

Weißer Kragen eines Priesteranzuges
Ein ehemaliger Priester missbrauchte mutmaßlich über Jahrzehnte junge Mädchen und Burschen. Die Kirche bietet Finanzhilfen.

Erst nach dem Tod des langjährigen Pfarrers in Schwechat im Jahr 2017 kamen die Vorwürfe gegen ihn ans Licht: Eine Person aus seinem Umfeld äußerte den Verdacht, dass der Geistliche sich an Kindern vergriffen habe. Kurz darauf bestätigte die Erzdiözese die Anschuldigungen. Bei den Betroffenen handle es sich um Burschen und Mädchen, die zum Zeitpunkt der Übergriffe durchwegs minderjährig waren. 

Der Priester habe "das Vertrauen vieler Menschen missbraucht, sich über viele Jahre hinweg sexuellem Missbrauch gegenüber minderjährigen Schutzbefohlenen schuldig gemacht und dadurch Menschen zutiefst verletzt", hieß es in einem Schreiben der Erzdiözese Wien nach Bekanntwerden der Vorwürfe.

In den vergangenen Wochen meldeten sich daraufhin mehr als ein Dutzend Personen in der Ombudsstelle der Erzdiözese Wien zu Vorfällen in der Pfarre Schwechat. Ihre Anliegen waren ganz unterschiedlich, sagte Michael Prüller, Sprecher der Erzdiözese Wien. Laut Schätzung der Pfarre waren darunter rund 10 Opfer, die Gespräche mit den Betroffenen laufen noch. Ob es darüber hinaus noch weitere Betroffene gebe, sei zumindest innerhalb der Kirche nicht bekannt, heißt es. 

"Strafrechtlich relevante Verbrechen"

"Manche waren selber betroffen, andere haben von Vorfällen aus der Vergangenheit berichtet. Wenn der ehemalige Pfarrer sich zum Beispiel ein Zimmer mit einem minderjährigen Mädchen geteilt hat", erklärte Prüller weiter. Die Vorwürfe reichen von längeren Umarmungen bis zu "Übergriffen, die wirklich Verbrechen darstellen, die heute auch strafrechtlich relevant wären", so der Sprecher weiter. 

Der Mann, um den es geht, war von 1955 bis 1999 in Schwechat als Priester tätig. Über welchen Zeitraum sich die Übergriffe erstreckten, ist nicht mehr nachvollziehbar, heißt es vonseiten der Erzdiözese Wien. Fest steht, dass "ein Vorfall" mit dem Priester 1995 zu einer gerichtlichen Verurteilung mit einer bedingten Strafe geführt hat. Welches Delikt damals verhandelt wurde, konnte der Sprecher der Erzdiözese nicht mehr ausfindig machen. 

Gutachter: "Einzelfall ohne Wiederholungsgefahr"

Für den Pfarrer hatte dies aber kaum Konsequenzen: "Gestützt auf ein ausnehmend positives Gutachten eines renommierten Psychiaters" hatte die Diözesanleitung den damals 71-Jährigen als Seelsorger in Schwechat belassen, seine Pensionierung aber beschleunigt, heißt es von der Kirche. Der forensische Gutachter kam zu dem Schluss, dass es sich "eindeutig um einen Einzelfall ohne Wiederholungsgefahr" handle.

"Auch wenn derzeit keine Vorwürfe aus der Zeit nach der Verurteilung vorliegen, müssen wir aus heutiger Sicht feststellen, dass die damalige Reaktion der Erzdiözese ungenügend war", erklärte Prüller: "Mit dem heutigen Wissensstand über die Hartnäckigkeit pädophiler Neigungen würden wir sofort mit einer Dienstfreistellung reagieren und das Umfeld informieren."

Pfarrer musste ins Wohnheim nach Wien

Anfang der 2000er-Jahre gab es dann eine anonyme Zuschrift mit neuen Anschuldigen. "Die Vorwürfen waren aber zu wenig konkret, wir haben nichts herausfinden können", sagte der Sprecher der Erzdiözese Wien. Eine Konsequenz wurde nun aber gezogen: Der Pfarrer, der zu dem Zeitpunkt bereits in Pension war und weiterhin in Schwechat lebte, musste umziehen. 

"Er wurde gedrängt, in ein Wohnheim in Wien für pensionierte Priester zu gehen. Bei der Entscheidung ging es weniger um die Frage, ob er in dem Alter noch zudringlich war, sondern viel mehr darum, dass Betroffene ihm nicht jeden Tag auf der Straße begegnen müssen."

Für Betroffene gibt es von der Kirche das Angebot von Finanzhilfen: Je nach Schwere, Dauer und Folgen der Übergriffe können Summen von 5.000 bis 25.000 Euro, in extremen Einzelfällen auch mehr ausbezahlt werden. Auch die Therapiekosten können übernommen werden. Zuständig ist die unabhängige Opferschutzanwaltschaft - die sogenannte Klasnic-Kommission. 

Im konkreten Fall wurde erst eine Meldung von der diözesanen Ombudsstelle abgeschlossen und an die Kommission übergeben werden, so Prüller. Die Bearbeitung durch die Kommission stehe noch aus. 

Finanzielle Entschädigung

Auch wenn der mutmaßliche Täter schon tot ist - sprich kein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Priester eingeleitet werden kann, - werden die Entschädigungszahlungen an die Betroffenen ausbezahlt. "Wir sind nicht die Polizei, wir können keine Beweise sichern. Die Opferschutzanwaltschaft schaut sich aber an, ob derjenige prinzipiell glaubwürdig ist und bezahlt dann die jeweilige Summe oder die Therapiekosten", betonte Prüller.

Im aktuellen Verfahren wurden noch keine Entschädigungen ausbezahlt, die Gespräche laufen derzeit noch.

Vielen Betroffenen gehe es aber auch nicht um finanzielle Unterstützung. "Manche wollen einfach nur, dass die Kirche das angetane Unrecht wahrnimmt oder dass ein Gespräch mit den Beschuldigten zustande kommt."

Die Pfarre Schwechat appelliert indessen weiter an mögliche Missbrauchsopfer und Zeugen, sich bei der Ombudsstelle der Erzdiözese Wien zu melden. Man wolle allen Opfern, ihren Angehörigen und "auch jenen, die sich innerhalb der Pfarre mit unterschiedlichen Sichtweisen konfrontiert fühlen, Raum für Gespräch und Unterstützung anbieten", betonte der jetzige Pfarrer Werner Pirkner.

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