Sex-Spionin als Gefahrenabwehr

Sex-Spionin als Gefahrenabwehr
Verwaltungsgericht hält Einsatz einer verdeckten Ermittlerin für zulässig.

Wie intim ist es, sich an der Bettkante zu stoßen? Und wenn sie ihm per eMail mitteilt, auf Äußerlichkeiten keinen großen Wert zu legen, ist das dann schon ein Beleg für eine sexuelle Beziehung?

Drei Jahre nach den Freisprüchen für 13 Tierschützer vom Mafia-Vorwurf wurden vom Verwaltungsgericht Wien die Ermittlungsmethoden untersucht. Martin Balluch, Obmann des Vereins gegen Tierfabriken (VgT), und zwei Mitstreiter hatten eine Maßnahmenbeschwerde gegen den Einsatz einer verdeckten Ermittlerin eingebracht. Der weibliche Spitzel hatte sich unter dem Decknamen "Danielle Durand" eingeschleust, (zum Schein) an den Protestaktionen beteiligt und war ein intimes Verhältnis mit einem der nunmehrigen Kläger eingegangen. Erst im Prozess in Wr. Neustadt erfuhren der Liebhaber und seine Mitangeklagten von der Doppelrolle der Frau.

Offensiv intim

Verhandlungsleiter Wolfgang Helm "kann nachvollziehen", dass die Tierschützer das "für einen Skandal halten." Verurteilen könnte er das Bespitzeln aber trotz fehlender Genehmigung des Staatsanwalts nur, wenn von der beanstandeten Behörde (Bundeskriminalamt) "unmittelbare Befehls- oder Zwangsgewalt" ausgeübt wurde. Daran dürfte es bei dem Verhältnis zwischen "Danielle Durand" und dem Tierrechtsaktivisten jedoch mangeln. Richter Helm: "Oder hat Sie die verdeckte Ermittlerin zu etwas gezwungen?" Der Aktivist: "Für eine Frau war sie schon sehr offensiv, wenn es zu Intimitäten gekommen ist." Richter: "Haben Sie dafür Beweise?"

Der Aktivist präsentierte ein Foto von sich und der Spionin, aufgenommen vor dem Kühlschrank. "Nur ein Selfie" ohne Beweiswert, befand Helm. Auch die vorgelegten eMails, etwa jenes über das kleine Unglück an der Bettkante, überzeugten ihn nicht: "Wenn das in Ihrem Bett gewesen wäre, dann gut. Aber davon ist hier nicht die Rede." Dass die Spionin auch Balluch sehr nahegekommen war und ihm etwa erzählt habe, sie trage nie ein Höschen unter der Kleidung, diente ebenfalls eher nur der Illustration.

Nach der Verhaftung ihres Liebhabers besuchte die Ermittlerin diesen übrigens in der U-Haft und demonstrierte vor der Justizanstalt für seine Freilassung. Als Zeugin musste "Danielle Durand" am Donnerstag nicht ihren korrekten Namen verraten und bestritt, mit dem Tierschützer ein sexuelles Verhältnis gehabt zu haben. Sie habe "Gefahrenerforschung, Gefahrenabwehr und Informationsgewinnung" betrieben. Für intime Fragen wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen.

Der Chefinspektor, unter dessen Führung die steirische Kriminalbeamtin ermittelt hatte, nannte die Verhinderung gefährlicher Angriffe als Zweck des Undercover-Einsatzes. Dafür war nicht zwingend eine Genehmigung vom Staatsanwalt erforderlich.

Die Spionin lieferte nach über einem Jahr einen 96-seitigen Bericht über die VgT-Aktivitäten ab, "in dem nichts drinnen stand", wie sich der Anwalt der Kläger, Stefan Traxler, und Verwaltungsrichter Helm einig waren. Helm hielt sich nicht mit Kritik an der Strafjustiz im Allgemeinen ("Staatsanwälte klagen ohne Aussicht auf Verurteilung an") und am Tierschützer-Prozess im Besonderen ("von hinten aufgezäumt") zurück.

Die verdeckte Ermittlung befand der an sich als polizeikritisch bekannte Richter aber für zulässig, wobei er das sexuelle Verhältnis für zweifelhaft hielt.

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