Senioren im Visier der Trickbetrüger
Die Beute ist oft höher als bei Banküberfällen. Die Gefahr, überführt zu werden, dafür verschwindend gering. Ausländische Trickdieb-Banden dehnen zurzeit ihre Beutezüge über das gesamte Bundesgebiet aus. Im Fokus der Ermittler stehen dabei der Neffen- bzw. Nichtentrick (siehe Grafik) sowie die Tischtuch-Verkaufsmasche. Die Landeskriminalämter von Oberösterreich, Tirol und Wien warnen vor den psychologisch bestens geschulten, meist weiblichen Tätergruppen.
Eiskalte Strategie
Der aktuelle Fall aus Wien zeigt die eiskalte Strategie. Nur dank eines Nachbarn konnten die drei Täterinnen festgenommen werden.
In der zweiten Februarwoche observierten die Frauen eine 74-jährige gehbehinderte Seniorin. Eine der Täterinnen folgte ihr vom Supermarkt in den Hausflur und bot an, ihr den Einkauf bis in die Wohnung zu tragen. Dabei ließ sie die Wohnungstüre einen Spalt offen. Noch während die Pensionistin in der Küche in ein Gespräch über Tischtücher (die lieferbar wären und feinster Handarbeit entsprächen) und ein Glas Wasser verwickelt wurde, schlichen die Komplizinnen in die Wohnung. Schlaf- und Wohnzimmer wurden professionell durchsucht. Mit erbeutetem Schmuck- und Bargeld – im Wert eines fünfstelligen Euro-Betrages – wollte das kriminelle Trio die Wohnung verlassen.
Doch Nachbar Thomas B., 28, hatte bereits die Polizei verständigt: "Ich habe die Frauen im Gang gesehen und mir sofort gedacht, dass da was nicht stimmt. Die dritte Täterin ist gebückt und sehr schnell in der Wohnung verschwunden." Das kriminelle Trio sitzt in U-Haft. Polizeisprecher Thomas Keiblinger: "Wir vermuten erheblich mehr Delikte und bitten um Hinweise." Infos an das Landeskriminalamt, Gruppe Wagner unter 01/31310 – 57800. Raubzüge sind auch in den Bundesländern möglich.
Der Neffen- bzw. Nichtentrick wird seit Jahresbeginn noch häufiger angewandt. Alleine in Wien wurden damit sechs betagte Menschen um bis zu höhere fünfstellige Beträge gebracht.
Zu Jahreswechsel klingelte bei einer Wienerin, 80, das Telefon. Die angeblich in Deutschland lebende Nichte sitze gerade bei einem Notar in Wien, um eine Eigentumswohnung zu kaufen. "Ich benötige noch einen fünfstelligen Betrag für die Anzahlung. Du hast mir immer geholfen. Und ich kann mich noch so gut an dich erinnern", flehte die perfekt deutsch sprechende Stimme. "Ich schicke dir die Sekretärin des Notars. Gib ihr bitte in einem Kuvert das Geld. Wenn ich alles unterschrieben habe, dann melde ich mich bei dir."
Die seriös gekleidete Botin bekam das Geld ausgehändigt und verschwand. Mit ihr auch das Geld. Das Opfer wartete vergeblich auf den Anruf der angeblichen Nichte. Aus Scham ging die Pensionistin erst Tage später zur Polizei. Täterinnen und Hintermänner waren längst über alle Berge.
Druck auf Opfer
"Die Anruferinnen sind psychologisch geschult. Sie setzten die hilfsbereiten Damen sofort unter Druck. Dieser Großmutter-Typ ist es noch gewohnt zu helfen. Das ankert in der Nachkriegszeit", erklärt Psychologe Gerald Gatterer. Wie die Polizei rät auch der Experte bei nicht zweifelsfrei verständlichen Anrufen, sofort aufzulegen.
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