In Wien gibt es für fast jedes Produkt einen passenden Automaten. Kann man deshalb auf gewöhnliche Geschäfte verzichten? Drei Tage zwischen Hunger, Frust und echten Highlights.
Ob Brot, Wein oder sogar Sonnenbrillen: In Wien kann man fast alles bei Automaten kaufen. Immer mehr etablierte Geschäfte greifen darauf zurück, es gibt sogar neue Konzepte wie Automatenräume, die an Supermärkte erinnern. Die Vorteile liegen auf der Hand. Waren sind durchgehend verfügbar, Kunden müssen sich nicht nach Öffnungszeiten richten, und alles funktioniert kontaktlos. Sollte man jedenfalls meinen.
Wie sehr man sich irren kann, zeigte ein Selbstversuch, bei dem der Konsum drei Tage lang ausschließlich aus Automaten stattfinden durfte.
Tag 1
Der Tag beginnt mit einer traurigen Erkenntnis. Nicht alle Automaten haben (wie man eigentlich meinen könnte) durchgehend geöffnet. Der Brotautomat vom Felzl, der für das Frühstück hätte herhalten sollen, hat es jedenfalls schon mal nicht – er ist nämlich nur von 20 Uhr bis 6 Uhr bestückt.
Felzl ist dabei frei von Schuld. Eine einfache Google-Recherche hätte für einen glücklichen Morgen mit Mandelcroissants, Bäcker-Knuspermüsli oder gar Striezel-Nuss-Crunch gesorgt. Aber war wohl nichts. Stattdessen muss ein schnöder Kaffee herhalten – also ab zu Coffee to go auf der Mariahilfer Straße. Dort folgt die nächste Enttäuschung. Es klebt ein Zettel mit „Gesclossen“ auf der Scheibe – das „h“ fehlt genauso wie das Koffein.
Prentl Hof Laden
Automat einer biologischen Landwirtschaft. Zu kaufen gibt es u.a. Eier, Kernöl und Nudeln – natürlich alles bio.
10., Scheunerstr. 11, prentlhof.at
Tolstoy
Österreichs erster veganer Automaten-Supermarkt. Von allem gibt es ein bisschen was, außer von tierischen Produkten.
4., Rechte Wienz. 1B, wearetolstoy.com
Diglas im Glas
Das Café Diglas füllt Hausmannskost in Gläser ab. Das Essen schmeckt nach dem Aufwärmen daheim wie im Restaurant.
1., Schotteng. 2, cafeimschottenstift.at
Foodie Fridge
Wöchentlich wechselnde Menüs vom Profikoch gibt es im Automatenrestaurant
2. Taborstr. 15, foodie-fridge.com
Dann eben vorerst ohne Verpflegung weiter, im Umkreis gibt es nämlich einige Automaten zu entdecken. Nach wenigen Schritten kommt man beispielsweise bei CBD-Produkten vorbei. Ein Gramm Hanfblüten kostet 11 Euro. Da der Entspannungsfaktor bei der Shoppingtour sowieso noch recht hoch ist, bleiben die Blüten ungekauft.
Beim Bierautomat beim Siebensternbräu wandern zwei Flaschen „Wiener Helles“ um jeweils 3,30 Euro in die Tasche. Getrunken werden sie nicht gleich – als Frühstück wäre das doch ein wenig zu hart. Die Sorte „Chili“ gäbe es auch, wird wegen Angst vor zu viel Schärfe aber außer Acht gelassen.
Der vegane Supermarkt-Automat des Wiener Start-ups Tolstoy im Bärenmühldurchgang ist das erste wirkliche Highlight des Tages. Es gibt Bio-Säfte wie Apfel-Ingwer und Snacks wie Gemüsechips – aber auch Hafermilch und eine Backmischung für vegane Pancakes, womit das Frühstück für Tag 2 gesichert wäre.
Um die schon leicht grantige Begleitperson bei Laune zu halten, gibt’s zu den Chips auch gespritzten Bio-Wein in der Flasche dazu. Beschwingt geht es weiter zum Automaten von der Apotheke zum Einhorn. Hier gibt es ein buntes Potpourri aus Zahnbürsten, Läuseshampoo, Käsepappeltee und Pflastern. Nichts davon wird aktuell benötigt, aber wer weiß, was die nächsten Tage noch passiert.
Das Abendessen wird beim Automaten des Café Diglas im Schottenstift besorgt. Hier gibt es selbst gemachte Hausmannskost im Glas um 8 bis 10 Euro. Der Linseneintopf ist dabei wirklich jeden Euro wert.
Tag 2
Heute steht alles im Zeichen von Spaß und Mode. Start ist beim Secondhand-Shop Polyklamott, bei dessen Automat man Accessoires kaufen kann. Die Brillen schauen zwar cool aus, ein Kauf scheitert aber daran, dass 3 mal 2 Euro in Münzen benötigt werden. (Wer hat denn so viele Münzen dabei?)
Die Brillen beim Automaten des Optikers Sattler sind mit 4,5 Euro zwar billiger, aber auch hier braucht man Münzen. Beide Brillenautomaten haben einen entscheidenden Nachteil: Man muss ohne Anprobe die Katze im Sack kaufen – und die wenigsten haben eine Gesichtsform, bei der jede Brillenform eine gute Idee ist.
Unbebrillt und leicht desillusioniert geht es darum weiter ins Museumsquartier. Dort kommen besonders Kulturliebhaber auf ihre Kosten. Es gibt Automaten mit Literatur, Bildern und sogar mit Comics. Auch hier: Kartenzahlung Fehlanzeige. Die zwei Euro für das Mini-Comic sind zum Glück aber aufzutreiben.
Die Bargeld-Misere setzt sich allerdings im Prater fort. Dort gibt es einen Pizza-Ofen in Automatenform. Zuerst muss aber ein Bankomat aufgetrieben werden, denn ohne Karte geht auch hier nichts. (Wer schon einmal hungrig keinen Bankomaten finden konnte, kann das Grantigkeitslevel bis zum Findungserfolg erahnen.)
300 Sekunden dauert es, bis die rechteckige Pizzaschnitte gebacken ist. Sie sieht ein wenig lieblos aus, dafür schmeckt sie überraschend gut.
Bisher hat sich niemand für den Automaten interessiert, aber nachdem Menschen immer denken, dass etwas gut ist, wenn jemand davor steht, bildet sich sogleich eine Schlange. Um die anderen Pizza-Interessenten nicht noch länger warten zu lassen, bleibt es bei einer Pizzaschnitte für zwei Personen. 300 Sekunden klingen kurz, fühlen sich aber ziemlich lang an, wenn (offensichtlich) ausgehungerte Teenager hinter einem stehen.
Beim Praterausgang gibt es einen Postkartenautomat – dort kann man sich selbst fotografieren, Sprüche wie „Wir haben Spaß in Wien“ auswählen und Bilder von Sehenswürdigkeiten aussuchen, die einen umrahmen. Der ursprüngliche Plan war, die Karte an die Kolleginnen und Kollegen im Büro zu schicken. Sie ist aber sehr lustig geworden und hängt darum als Andenken am eigenen Kühlschrank.
Der Tag endet in der Donaustadt. In der Seestadt kann man rund um die Uhr Kasnudeln kaufen – auch süße Varianten gibt es. Der vegetarische Kasnudelmix mit zehn Kasnudeln mit fünf verschiedenen Käsefüllungen kostet 12,90 Euro. Auch schwerst untalentierte Köche schaffen das Aufwärmen daheim.
Für die passende Tischdeko beim anstehenden Kasnudel-Dinner sorgt der Blumenautomat der Gärtnerei Gaderer gleich bei der U2-Station Aspernstraße. Hier gibt es rund um die Uhr frische Sträuße und Topfpflanzen zu kaufen. Hängende Blumenköpfe sind tatsächlich nicht zu sehen.
Tag 3
Gestartet wird heute mit Eierspeis – dank eines Automaten, der getrost als die beste Entdeckung des Selbstversuchs bezeichnet werden darf. Beim Prentl Hof Laden riecht es nicht nur nach Bauernhof, es gibt auch frische Eier und Erdäpfel zu kaufen. Letztere kosten 4,50 Euro pro 2 Kilo. Nudeln und Kürbiskerne gibt es auch, eine klare Empfehlung gibt es für den Honig-Senf im Glas.
Alles ist sehr liebevoll gestaltet – bis hin zu dem Gästebuch und einer Packung Buntstifte, die neben dem Automaten auf einem Tischen liegen.
Die Enttäuschung des Tages wartet bei Servicebob in Hernals, wo mehrere Automaten wie in einem Supermarkt nebeneinanderstehen. Wie beim Brotautomaten ist auch hier nicht der Anbieter schuld. Das Sortiment ist gut – aber die Erwartung war eine falsche. In einem (offensichtlich veralteten) Online-Artikel war zu lesen, dass man hier Steaks – sogar vom Krokodil – und Grillzubehör kaufen kann. Das ist nicht der Fall und darum fällt der geplante Grillabend ins Wasser.
Da dadurch Geld gespart wurde, geht es dafür weiter zum Prosecco-Automaten von Desiderio N°1, der mit 14,90 Euro pro Flasche nicht gerade günstig ist.
Den Abschluss bildet Foodie Fridge – in der Selbstbezeichnung ein Automatenrestaurant. Ein Profi-Koch kocht Speisen, diese werden auf vier Grad gekühlt und anschließend zu den Automaten gebracht. Von Eiernockerl bis zum Schnitzel kann man sich alles holen. Auf der Website (siehe Infobox) werden die jeweiligen Wochenmenüs angegeben.
Fazit des Selbstversuchs: Um alles beisammen zu haben, sind viele und vor allem weite Wege notwendig. Manche Automaten sind ihre Reise wirklich wert, andere sind wohl nur PR-Gags.
Das letzte Abendmahl dieser drei Tage wird übrigens in der Mikrowelle gewärmt. Wenig glamourös, schmeckt dafür gut.
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