Selber scannen im Supermarkt: Nicht alles, was möglich ist, ist auch gut

Selber scannen im Supermarkt: Nicht alles, was möglich ist, ist auch gut
Nur in Wien gibt es jetzt einen Supermarkt, in dem jeder zwischenmenschliche Kontakt abgeschafft wurde.

Der Do-It-Yourself-Wahn im Handel ist um eine Erfindung reicher.

Im 12. Bezirk - genauer: im dortigen Euro Plaza - bietet eine Supermarkt-Kette jetzt nicht nur Selbstbedienungs-Kassen an. Sondern neuerdings auch eine App, mit der man den Einkauf am eigenen Handy scannen und direkt bezahlen kann.

Zwischenmenschliche Interaktion ist in der Filiale - österreichweit die bisher einzige mit diesem App-"Service" - nun also endgültig nicht mehr nötig.

Wer nun die Nase rümpft, steht unter dem Generalverdacht der Technikfeindlichkeit. Bei aller Freude darüber, dass die App von einem Grazer Start-Up kommt, das damit seine Innovationskraft beweist, bleiben aber dennoch einige Fragen offen.

Weniger hinsichtlich der Daten, die man dem Unternehmen damit überlässt. (Die eigenen Einkaufsgewohnheiten kennt die Kette ohnedies schon dank der beliebten Bonusclub-Mitgliedskarten.) Sondern eher hinsichtlich der Frage, ob man alles, was technisch machbar ist, auch wirklich umsetzen sollte.

Zusammenhänge erkennen

Warum, fragt man sich etwa, erledigen wir als Kunden eigentlich ohne Murren einen immer größeren Teil der uns gebotenen Dienstleistungen selbst? Und das, obwohl die Waren oder Leistungen für uns dadurch gar nicht billiger werden?

Oder: Warum halten wir es für eine gute Idee, den Angestellten ihre ureigenen Arbeitsaufgaben abzunehmen - während wir  zugleich mit sorgenvollem Kopfschütteln auf die Meldungen der Wirtschaftsforscher blicken, die Österreich im Jahr 2020 wieder steigende Arbeitslosenzahlen vorhersagen?

Und glauben wir eigentlich wirklich, dass selbst gemacht alles rascher geht? Wir stehen zwar nicht mehr an der Kassa an, vergeuden unsere Zeit nun aber damit, uns an schlecht lesbaren Strichcodes abzumühen und Zahlungseinstellungen in Apps zu überprüfen. (Kaufen darf man mit der neuen App übrigens maximal zehn Produkte. Wer ein Elftes findet, hat die Qual der Wahl, welches er zurücklassen möchte.)

Langsamkeit tut gut

Erholsam entschleunigt fühlt man sich demgegenüber übrigens in so manchem kleinen Wiener Innenstadtladen. Wer im Adventtrubel versucht, beim Fleischhauer den Weihnachtstruthahn vorzubestellen und dabei auf lange Menschenschlangen stößt, der weiß, wovon die Rede ist.

Hier redet man noch miteinander. Die Vorbestellung wird mit einem Bleistift in ein leicht verschmuddeltes Notizheft eingetragen. Und garantiert niemand wäre je auf die Idee gekommen, irgendein Produkt selbst mit einer App einzuscannen. Klingt altmodisch?

Ja, herrlich.

Im - an den besagten Fleischhauer angrenzenden - Traditionscafé an der Gumpendorfer Straße setzt man übrigens auch auf Entschleunigung. Die Kellnerin würdigt die Gäste hier üblicherweise eine Zeit lang keines Blickes, nimmt dann widerwillig die Bestellung auf und liefert den Kaffee betont genervt mit einem guten Maß Zeitverzögerung.

Falls diese besondere Spielart des Wiener Charmes irgendwann einmal außer Mode geraten sollte, böte sich ein Job als Kassakraft im Meidlinger Do-It-Yourself-Supermarkt an.

Nur in Wien: Christoph Schwarz und Julia Schrenk kommentieren regelmäßig Amüsantes, Skurriles und manchmal auch Nachdenkliches aus dem Alltag der Stadt.

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