Seit zehn Jahren wird in Wiener Schlulkassen geradelt

Ergometerklasse in der Berufsschule Apollogasse 2011
Projekt startete im Schuljahr 2007/08 am Gymnasium Ödenburgerstraße und fand Nachahmer. Initiator kritisiert anlässlich des Jubiläums zu wenig Möglichkeiten für Bewegung an Schulen.

Vor rund zehn Jahren hat das Projekt "Ergometerklasse" am Gymnasium Ödenburger Straße in Wien-Floridsdorf begonnen. Mittlerweile wird an vielen Schulen in Österreich, aber auch in Deutschland oder Schweden nach dem Wiener Vorbild geradelt. Die wichtige tägliche Turnstunde könne der Ansatz aber keineswegs ersetzen, sagte Initiator Martin Jorde anlässlich eines Pressegesprächs zum Jubiläum zur APA.

Schon vor Beginn des Projekts sei er ein starker Befürworter der täglichen Sportstunde gewesen. Damals sei man mit der Idee aber noch "gegen Windmühlen gelaufen. Dann dachte ich mir, dass ich die tägliche Sportstunde in die Klasse hereinholen muss", erzählte Jorde. Im Schuljahr 2007/08 startete die Ergometerklasse - eine erste Klasse Gymnasium - am GRG 21 in der Ödenburger Straße: Die Schüler folgten dem Unterricht täglich eine Stunde auf einem Trainingsfahrrad mit Schreibpult sitzend.

Der Sportwissenschafter und Initiator begleitete das Vorhaben im ersten Jahr wissenschaftlich im Rahmen seiner Dissertation. Die Studie ergab, dass die Schüler der Ergometerklasse sich im Vergleich zu jenen in den beiden Kontrollklassen besser konzentrieren konnten, aufmerksamer waren, bessere Blutwerte aufwiesen, bei sportmotorischen Tests besser abschnitten und weniger Unterrichtsstunden versäumten. Es folgten Gesundheits-Auszeichnungen für das von Kleinsponsoren und Firmen unterstützte Projekt, im Zuge der medialen Aufmerksamkeit fand man Nachahmer.

Hype

"Da hat sich ein Hype entwickelt, der dazu geführt hat, dass es in ganz Österreich und auch in Deutschland sehr viele Schulen gibt, die aufgesprungen sind", sagte Jorde. Vor einigen Jahren zählte der Lehrer für Bewegung und Sport rund 120 Klassen, die dem Konzept folgten. In Wien-Floridsdorf durchliefen bisher rund 360 Schüler ihre ersten beiden Schulstufen am Gymnasium teilweise am Ergometer sitzend. Ab der dritten Klasse werde die Umsetzung schwierig, da die Jugendlichen dann bereits in vielen Fächern in anderen Räumen unterrichtet werden. Die Saat für das Bewusstsein für die Wichtigkeit der Bewegung sollte bis dahin aber bei den "Absolventen" der Klassen bereits aufgegangen sein, hofft Jorde.

Bewegungsmangel und falsche Ernährung seien an heimischen Schulen allerdings immer noch omnipräsent. Die schrittweise Einführung der Täglichen Bewegungs- und Sporteinheit (TBuS) habe daran noch nicht viel geändert, was laut dem Projektinitiator auch an den Rahmenbedingungen liegt. Ob die TBuS an einem Schulstandort durchgeführt wird, hänge immer noch an der Entscheidung des Schulgemeinschaftsausschuss (SGA) und damit im Bereich der Schulautonomie. Mehr Stunden für die Durchführung gebe es in der Regel nicht. "Würden wir das in unserer Schule einführen, müssten andere Fächer Stunden hergeben. Gegen diese Methodik wehre ich mich, weil das ein Zerfleischen innerhalb des Lehrkörpers oder der Fachgruppen mit sich bringt", sagte Jorde.

Projekte wie die Ergometerklasse, die sozusagen den salomonischen Ansatz der Integration der Bewegung in den Unterricht gehen, hingen wiederum weiter durchwegs vom "Idealismus der Lehrer" ab. Jorde: "Ich bin aber überzeugt, dass unser Projekt nicht die tägliche Turnstunde ersetzen soll."

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