Dass Bürgermeister Michael Ludwig und sein Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (beide SPÖ) auf das vom Bund verordnete Ende der Quarantäne für Covid-Infizierte mit heller Empörung reagieren, gehört eher nicht zu den überraschendsten Erkenntnissen der vergangenen Tage. Prägt doch der Konflikt zwischen Bund und Wien das Geschehen seit Pandemie-Beginn vor zweieinhalb Jahren.
Die aktuelle Aufregung als rein parteipolitisches Hickhack abzutun, greift dennoch zu kurz. In den Chor der Kritiker aus Wien reihen sich diesmal auch prominente Stimmen ein, die zumindest nach der Papierform dem türkis-grünen Regierungslager zuzuordnen wären.
Allen voran Wiens Wirtschaftskammer-Präsident Walter Ruck (ÖVP): „Ob das Aus für die Corona-Quarantäne gesundheitspolitisch tatsächlich gerechtfertigt ist, müssen die entsprechenden Experten beurteilen“, sagt er am Mittwoch. „Was aber feststeht: Für die Wiener Unternehmen wird der Entfall der Quarantäne richtig teuer. Aus Sicht der Wirtschaft ist diese Maßnahme nicht wirklich zu Ende gedacht.“
Hohe Kosten
Rucks Problem: Mit dem Ende der Quarantäne ist jeder Corona-Fall wie ein herkömmlicher Krankenstand zu behandeln. Das bedeutet, dass der Bund auch nicht mehr die Ersatzzahlungen für Corona-bedingte Ausfälle von Mitarbeitern übernimmt. Stattdessen müssen die Unternehmen die Entgeltfortzahlungen selber übernehmen.
Hochgerechnet auf ein Jahr ergebe das laut Kammer 365 Millionen Euro an zusätzlichen Kosten für die Wiener Betriebe. Berücksichtigt sind in dieser Schätzung nur Menschen mit Krankheitssymptomen. „Dass Betriebe auf Pandemiekosten sitzen bleiben, kann es nicht sein“, sagt Ruck.
Doch auch bei den Wiener Grünen hat man keine Freude mit dem, was der Parteikollege im Gesundheitsministerium beschlossen hat. „Ich halte es für den völlig falschen Weg und unverantwortlich, die Quarantäne-Regelung aufzuheben“, richtet die Gemeinderätin Viktoria Spielmann ihrem Minister Johannes Rauch in einem Facebook-Posting aus.
„Für mich zeichnet grüne Politik aus, dass wir uns an denjenigen orientieren, die am verwundbarsten sind“, schreibt sie weiter. „Jetzt passiert das Gegenteil.“ Eine Kritik, die sie auf KURIER-Nachfrage bekräftig.
Bei den traditionell kritischen Wiener Grünen steht Spielmann mit dieser Meinung allerdings nicht alleine da. Es habe in den vergangenen Tagen viele interne Debatten gegeben, heißt es. Was in der Landespartei so manchen zusätzlich verärgert: Die grüne Regierungsmannschaft im Bund habe bis heute nicht das Gespräch gesucht.
Pinke Zurückhaltung
Im Vergleich dazu nimmt sich die Bewertung durch das Büro von Neos-Chef und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr bemerkenswert nüchtern aus. Er ist ressortmäßig immerhin für Kindergärten und Schulen zuständig, die durch das Quarantäne-Aus besonders betroffen sind.
„Die Verordnung des Bundes regelt klar, dass infizierte Kinder nicht in den Kindergarten dürfen. Was die Neuregelung für das Personal bedeutet, muss noch geklärt werden“, sagt ein Sprecher.
Ob man als Partei nun für oder gegen das Quarantäne-Aus sei , will er nicht beantworten. Mit dem Verweis darauf, dass Vizebürgermeister Wiederkehr derzeit auf Urlaub weilt.
Einer bleibt seiner Rolle in diesem irritierenden Corona-Schauspiel jedenfalls treu. Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) wetterte auch am Mittwoch gegen den Bund: „Die Bundesregierung hat die Covid-Politik aufgegeben und lässt die Bevölkerung alleine. Das macht fassungslos.“
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