Absurdes Theater im Schrebergarten

Absurdes Theater im Schrebergarten
Im winzigen Wohnzimmer einer Kleingartenhütte spielen vier Amateure den modernen Klassiker "Warten auf Godot". Den Regisseur haben sie auf einem Badesteg kennengelernt

Platz ist in der kleinsten Hütte. Zum Beispiel ist es sogar im Wohnzimmer eines Wiener Schrebergartenhäuschens möglich, Theater zu spielen, wenn man das wirklich will. Im Kleingartenverein Neu Florida an der Alten Donau passiert seit einigen Jahren genau das.

Die Besitzer, Christine und Walter, und ihre Freundinnen Eva und Hanna, die zumindest im Sommer auch in der Siedlung wohnen, machen seit ein paar Jahren im Wohnzimmer Theater.

Ungewöhnlich an der Truppe, die sich „Eine Art Theater“ nennt, ist aber nicht nur der Spielort. Die theaterbegeisterten Amateure – drei von ihnen sind bereits in Pension, zwei waren Lehrerinnen – spielen keinen der bei Laiengruppen beliebten Schwänke, sondern schwere Kost: „Warten auf Godot“ von Samuel Beckett. Und als Regisseur haben sie mit Helmut Wiesner einen namhaften Profi an Land gezogen – beim Schwimmen in der Alten Donau.

Regie: Helmut Wiesner

Hanna hatte den Regisseur, der das Theater Gruppe 80 in der Gumpendorfer Straße (heute: TAG) gegründet und bei den Raimundspielen in Gutenstein gerade den „Verschwender“ inszeniert hat, auf dem von der ganzen Truppe gern frequentierten Badesteg kennengelernt.

Wiesner lud sie zu einer seiner Inszenierungen ein – und irgendwann kam die Idee auf, etwas gemeinsam zu machen. „Am Anfang hat der Helmut, glaube ich, noch nicht so recht gewusst, wie das mit uns wird“, sagt Eva. „Aber dann hat es ihm auch Freude gemacht.“ Wiesner hatte einmal eine Amateurtheateraufführung gesehen, die er ziemlich furchtbar fand: „Die haben sich alle produziert, wollten besonders lustig sein. Das ist hier überhaupt nicht so. Sie leben in den Texten, das ist toll.“

„Wir proben viel, sehr viel“, sagt Hanna. „Wobei das Kaffeetrinken und das Plaudern vor und nach den Proben für mich mindestens so wichtig sind.“

Das erste Projekt war 2018 eine Collage aus frühen, experimentellen Stücken von Peter Handke, im Vorjahr hatte dann „Warten auf Godot“ Premiere. In dem 1953 uraufgeführten Stück warten die Landstreicher Wladimir und Estragon auf einen Mann namens Godot, der aber nie kommt. Es ist ein Klassiker des absurden Theaters, der vielseitig interpretierbar ist, sich aber nie zur Gänze entschlüsseln lässt.

Wiesner wäre selbst nie auf die Idee gekommen, das Stück zu inszenieren, es erschien ihm immer zu artifiziell. Umso begeisterter ist er, wie natürlich die Laien damit umgehen. „Sie lassen sich ganz uneitel darauf ein.“

Der Regisseur hat das Stück auf eine knappe Stunde Spielzeit gekürzt. Bühnenbild oder Lichteffekte gibt es nicht, maximal 15 Personen können eine Vorstellung besuchen, mehr passen in das kleine Wohnzimmer einfach nicht hinein. Dass hier keine gelernten Schauspieler am Werk sind, ist zwar nicht zu übersehen. Aber die Naivität ihres Spiels hat eine spezielle Qualität: Der Text verliert den Heiligenschein des Klassikers, wird ganz einfach, menschlich und direkt.

„Es ist ein tolles Stück“

Die Idee, „Godot“ zu spielen, hatte Christine – auch deshalb, weil sie das Stück auf diese Weise besser verstehen wollte. Der Plan ist aufgegangen: „Wenn man ein Stück so lang probt und so oft spielt, verinnerlicht man das, und es fallen einem auch im Alltag immer wieder Sätze daraus ein. Es ist ein tolles Stück!“

13 Mal haben sie „Warten auf Godot“ jetzt schon gespielt, die Bekannten haben es inzwischen alle gesehen. „Jetzt kommen Bekannte von Bekannten“, sagt Eva. Nächste Woche gibt es wieder zwei Vorstellungen, die bereits ausreserviert sind, aber es werden nicht die letzten sein.

Was sie als Nächstes machen, ist noch offen. Christine könnte sich „Die kahle Sängerin“ von Ionesco vorstellen. „Ich glaube, das Absurde liegt uns.“

Die nächsten Vorstellungen finden am 23. 7. um 19 Uhr und am 28. 7. um 11 Uhr statt, beide sind allerdings ausreserviert. Kontakt für Interessierte: einearttheater@gmx.at 

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