Schießerei in Wien: Polizist weiter in Lebensgefahr
Überfallene Billa-Filiale blieb am Montag geschlossen. Polizei berät über Konsequenzen aus dem Vorfall.
04.07.16, 15:50
Der Supermarkt in Wien-Penzing, in dem es am Samstagabend nach einem gescheiterten Raubüberfall zu einer Schießerei zwischen dem Täter und der Polizei gekommen war, ist am Montag geschlossen geblieben. "Wegen Überfall!", wie es in einem großformatigen handgeschriebenen Zettel an der Eingangstür hieß.
Der Räuber - ein 49 Jahre alter, in Wien gemeldeter Bosnier - hatte kaltblütig auf Polizeibeamte geschossen, als diese an der Hintertür der Billa-Filiale auf der Hütteldorfer Straße klopften, in der zuvor der Täter drei Angestellte gefesselt hatte. Ein 23 Jahre alter, erst vor wenigen Wochen in den Exekutivdienst übernommener Beamter wurde am Kopf getroffen, ein 25-jähriger Polizeischüler im Bauch- und Oberschenkelbereich.
Die WEGA (Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung) spürte schließlich den Räuber auf, der sich in dem Gebäudekomplex verschanzt hatte. Der Mann eröffnete ein zweites Mal das Feuer, worauf er von der Sondereinheit erschossen wurde.
Ein Augenzeugen-Video hält die dramatischen Momente fest, als die Beamten gegen 18.15 Uhr den Billa stürmten:
Der 23-jährige Polizist - ein gebürtiger Kärntner - befand sich am Montag weiter in akuter Lebensgefahr, hieß es auf Anfrage bei der Landespolizeidirektion. Dem ebenfalls schwer verletzten Polizeischüler, der bereits am Sonntag ansprechbar war, ging es besser. Er musste aber weiter in stationärer Behandlung bleiben.
"Warum?"
Anrainer hatten am Montag vor dem Geschäftsportal Blumen und Kerzen abgelegt, um auf diese Weise am Schicksal der Polizisten Anteil zu nehmen. "Warum?", hieß es auf einer offenbar von Kinderhand mit einer Blume und Herzen bemalten Karte.
Polizei berät über Konsequenzen
Am Montag wurde bei der Polizei über Konsequenzen aus dem Vorfall beraten. Ergebnis: Erst muss der Vorfall genau untersucht werden. Noch ist nicht einmal klar, wer genau geschossen hat und wie oft. Das Ergebnis der Obduktion des 49-jährigen Räubers steht vorerst ebenfalls noch aus.
Der mit einer Pistole bewaffnete Täter hatte sich kurz vor Geschäftsschluss in die auf der Hütteldorfer Straße gelegene Filiale begeben. Dass es sich bei dem 49-Jährigen um keinen Gelegenheitskriminellen gehandelt haben dürfte, untermauert der Umstand, dass er seine Schusswaffe mit einem - hierzulande verbotenen - Schalldämpfer versehen hatte. Als der Supermarkt um 18.00 Uhr geschlossen wurde, ließ sich der Mann einsperren, verbarg sich vor den Angestellten und trat auf den Plan, nachdem diese sich vom Verkaufsbereich in die Büro- und Lagerräumlichkeiten begeben hatten. Dort bedrohte er dann die drei Angestellten - zwei Frauen und einen 18-jährigen Burschen -, forderte das Geld aus dem Tresor und fesselte die Mitarbeiter mit Kabelbindern. Dem jungen Mann gelang es allerdings noch, für den Täter unbemerkt Alarm auszulösen.
Insgesamt drei Funkstreifen machten sich umgehend auf den Weg zu dem Supermarkt. Die erste Besatzung, die den Tatort erreichte, versuchte, über den Hintereingang in das geschlossene Geschäft zu gelangen. Die Tür war abgesperrt, worauf die Beamten klopften und sich als Polizisten zu erkennen gaben. Der Räuber reagierte kaltblütig und war keineswegs zur Aufgabe bereit. "Er hat eine Mitarbeiterin gezwungen, zur Tür zu gehen und zu sagen, dass alles in Ordnung ist", berichtete Paul Eidenberger, der Sprecher der Landespolizeidirektion. Den insgesamt drei Polizisten kam die Situation jedoch eigenartig vor. Sie misstrauten der Angestellten, die - wie ihr befohlen - vorgab, es liege ein Fehlalarm vor. Laut Eidenberger forderten sie die Frau auf, aus dem Geschäft zu kommen.
Daraufhin zeigte sich der bewaffnete Räuber, der sich bis dahin in einer für die Polizisten nicht einsehbaren Ecke befunden hatte. Er stürmte zur Glastür und gab - wie Eidenberger betonte - unverzüglich Schüsse auf die Polizisten ab. Neben den beiden jungen Beamten wurde auch eine Polizistin verletzt, allerdings infolge eines Sturzes. Sie kam vergleichsweise glimpflich davon. Zumindest einem der Beamten gelang es, von seiner Dienstwaffe Gebrauch zu machen - der Räuber wurde von einem Projektil getroffen, was ihn aber nicht daran hinderte, seine Fluchtbemühungen fortzusetzen.
Über ein unmittelbar neben dem Lagerraum gelegenes Stiegenhaus lief der 49-Jährige in dem Gebäude-Komplex, in dem der Supermarkt untergebracht ist, in den zweiten Stock. "Dort ist er in eine Wohnung eingebrochen, die zu diesem Zeitpunkt zum Glück leer war", gab Eidenberger bekannt. Der Räuber durchwühlte die Räumlichkeiten, ehe er durch ein Fenster auf ein einen Stock tiefer gelegenes, Richtung Innenhof ausgerichtetes Vordach sprang. Bei der Landung verletzte sich der 49-Jährige jedoch am Bein und war nicht mehr in der Lage, die Flucht fortzusetzen. Er verschanzte sich auf dem Dach hinter einer Mauer. Mittlerweile war ein Großaufgebot der WEGA (Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung) eingetroffen, Hubschrauber und ein Räumungspanzer wurden eingesetzt, die Umgebung großräumig abgesperrt.
Mithilfe eines Polizeihubschraubers konnte der Räuber schließlich in seinem Versteck aufgespürt werden. Eine im Hubschrauber befindliche Spezialkamera erfasste den Täter, der Standort wurde umgehend den WEGA-Beamten kommuniziert, die - wie Eidenberger darlegte - ohne diese Unterstützung kaum eine Chance gehabt hätten, den Täter rasch ausfindig zu machen. Auf Zuruf der Einsatzkräfte zückte der 49-Jährige neuerlich seine Pistole und schoss. Die WEGA-Beamten entgegneten das Feuer, der Räuber wurde mehrfach getroffen und tödlich verletzt.
Obduktionsergebnis steht noch aus
Neue Erkenntnisse zum Täter, der möglicherweise in jüngerer Vergangenheit ähnliche Supermarkt-Überfälle begangen hat, lagen vorerst nicht vor. Unklar war auch, wie viele Schüsse insgesamt abgegeben und von wie vielen Projektilen der 49-Jährige getroffen wurde. Das Obduktionsergebnis stand laut Polizeisprecher Paul Eidenberger noch aus.
Bestürzt und betroffen auf die Schießerei und ihre Folgen reagierten Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) und der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ). "Durch den Einsatz der Polizei konnten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Supermarktes in Sicherheit gebracht werden und es wurde Schlimmeres verhindert. Es ist tragisch, wenn Polizisten im Dienst lebensgefährlich verletzt werden. Meine Gedanken sind in diesen schweren Stunden bei den Familien und den Angehörigen der Betroffenen", meinte Sobotka in einer Stellungnahme. "Die Brutalität des Überfalls zeigt einmal mehr, dass wir alles tun müssen, um die Polizei personell und technisch optimal auszustatten", gab Häupl in einer Presseaussendung zu bedenken.
"Fassungslos" zeigte sich der Bundesvorsitzende der freiheitlichen AUF-Gewerkschaft und FPÖ-Bereichssprecher für den Öffentlichen Dienst, Werner Herbert. Die Schießerei habe "vor Augen geführt, dass die importierte Kriminalität nicht nur die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung in einem mittlerweile bedenklichen Ausmaß gefährdet, sondern auch, wie gefährlich und unvorhersehbar der Beruf der Polizistinnen und Polizisten ist". Den Exekutivbeamten gebühre "großer Dank und Anerkennung, dass sie jederzeit die eigene Sicherheit und das eigene Leben in der Vollziehung ihres Berufes einzubringen bereit sind", meinte Herbert in einer Aussendung.
Als "tragische und unglückliche Amtshandlung" qualifiziert Harald Segall, SPÖ-Gewerkschafter und Vorsitzender der Personalvertretung der Wiener Polizei, die Schießerei nach einem gescheiterten Supermarkt-Überfall in Penzing, bei der zwei Beamte schwer verletzt wurden. Das kaltblütige Vorgehen des Täters unterstreiche die Notwendigkeit einer schusssicheren Ausrüstung für die Exekutive.
Segall zeigte sich am Montag gegenüber der APAerfreut, dass die Gewerkschaft mit ihrem Verlangen nach schusssicheren Westen für jeden Polizisten Gehör gefunden hat: "Diese Forderung wird bundesweit umgesetzt."
Darüber hinaus möchte Segall, dass zukünftig jeder Streifenwagen mit ballistischen Helmen ausgestattet wird, auf die von Polizeibeamten bei einer entsprechenden Gefahrenlage zugegriffen werden kann. Das sei - losgelöst vom Überfall vom vergangenen Samstag - in Zeiten von terroristischer Bedrohung "dringend geboten."
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