Rutschige Dusche wird zum Fall für die Volksanwältin
Jürgen Hahnl leidet an Multipler Sklerose. Er kann kaum noch gehen, seine Muskeln werden immer schwächer. Draußen fährt er mit dem Rollstuhl, zu Hause in seiner Wohnung bewegt er sich mit einem Rollator fort. Doch im Bad stößt er immer wieder an seine Grenzen.
Zum Beispiel beim Duschen: Wenn Hahnl die Dusche aufdreht, steht das Wasser binnen einer Minute zentimeterhoch. Das ist nicht nur mühsam, sondern auch gefährlich: "Einmal bin ich schon ausgerutscht und hingefallen. Ich hab’ mir die Nase angeknackst", sagt der 41-Jährige. Laut Hahnl liegt der Abfluss so flach in den Fliesen, dass das Wasser nicht schnell genug abfließen kann. "Ich brauche den Rollator zum Duschen, aber das ist gefährlich", sagt Jürgen Hahnl. Mehrmals hätten er und Ehefrau Monika bei Wiener Wohnen wegen der Dusche urgiert, aber: "Man hilft uns nicht", sagt Monika Hahnl.
Kritik an Förderung
Immer wieder erreichen die Volksanwaltschaft Beschwerden über Wiener Wohnen; im Vorjahr waren es insgesamt 196. Heuer sind bis 31. Juli bereits 128 Beschwerden über Wiener Wohnen eingetroffen, im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 57.
Brinek kritisiert im Zuge dessen auch das unverändert geltende Wohnbau-Förderungsgesetz aus dem Jahr 1984. Das Gesetz berücksichtige nicht den erhöhten Wohnraumbedarf, den Menschen mit Behinderung haben. Für die Gebührenbefreiung vom Eintrag ins Grundbuch etwa ist eine maximale Nutzfläche von 130 Voraussetzung. Nur bei Familien mit mehr als fünf Personen sind es 150 .
Laut der Volksanwältin wird dabei von Menschen ausgegangen, die in ihren Bewegungen nicht eingeschränkt sind: "Wenn jemand einen Rollstuhl fährt, braucht er aber breitere Türen oder ein größeres Bad." Brinek fordert jetzt einen Entschließungsantrag vom Parlament, die Flächen anzupassen, und auch eine entsprechende Gesetzesänderung.
Abfluss in Ordnung
Im Fall von Jürgen Hahnl hat die Volksanwaltschaft eine Prüfung eingeleitet. Von Wiener Wohnen heißt es, der Abfluss sei "technisch in Ordnung". "Man kann die Hausverwaltung nicht für etwas verantwortlich machen, wofür sie nicht zuständig ist", sagt Wiener-Wohnen-Sprecherin Renate Billeth. Etwaigen Umbauarbeiten, die Herr Hahnl selbst bezahlt, würde man aber nicht im Weg stehen.
Vergabekriterien "diskriminierend"
Seit 1. Juli gelten in Wien neue Vergabekriterien für Gemeindebauwohnungen. Grund dafür ist eine Harmonisierung der Richtlinien für Gemeindewohnungen und den geförderten Wohnau, also Genossenschaftswohnungen. Mit der neu gegründeten „Wohnberatung“ wollte man eine „zentrale Anlauf- und Informationsstelle“ schaffen, sagt Renate Billeht, Sprecherin von Wiener Wohnen.
Nach wie vor muss jeder, der eine solche Wohnungbeziehen will, mindestens 17 Jahre alt, österreichischer Staatsbürger, EU-Staatsbürger oder Drittstaatsangehöriger mit EU-Aufenthaltstitel, sowie seit zwei Jahren in Wien hauptgemeldet gewesen sein. Außerdem müssen die Einkommensgrenzen eingehalten werden.
Seit 1. Juli gilt darüberhinaus in Wien ein Bonus-System bei der Vergabe von Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen. Wer fünf Jahre Hauptwohnsitz in Wien nachweisen kann, wird bei der Vergabe in der Warteliste drei Monate nach vorn gereiht. Maximal werden aber 15 Jahre angerechnet, das heißt, die Vorreihung ist auf maximal neun Monate begrenzt.
Laut Volksanwaltschaft werden dadurch Personen, die aus der EU oder den Bundesländern kommen, benachteiligt. Die Wiener hätten einen Vorsprung. Das ist laut Volksanwältin Gertrude Brinek „diskriminierend.“
Renate Billeth, Sprecherin von Wiener Wohnen, kann das nicht nachvollziehen. „Es geht um den Lebensmittelpunkt in Wien. Die Staatsangehörigkeit hat damit nichts zu tun.“
Kommentare