Bobo-Heim statt Rudolfscrime

David (28), Anna (26) und Patrick (25) sind das Café-Prosa-Kollektiv. Jugendliche können dort ohne Konsumzwang verweilen
Der 15. Wiener Gemeindebezirk ist der jüngste der Stadt. Ein Rundgang.

Leo (25) schiebt sein Rad in den "Block44" in Rudolfsheim-Fünfhaus. Ein neues Lenkerband muss her. "Ich brauch’ eine viertel Stunde. Dann kannst du es wieder holen", sagt Daniel Müller.

Gemeinsam mit seinen Freunden Michael Seemann und Birgit Rampula betreibt Müller den "Block44" in der Reindorfgasse 44 in Fünfhaus. Der Block besteht aus Müllers Radgeschäft "Fix dich", aus Seemans Café "Setz dich" und Rampulas Modeladen "Amateur".

Bobo-Heim statt Rudolfscrime
Rudolfsheim-Fünfhaus
Seit Jänner 2014 betreiben die drei Freunde ihr gemeinsames Geschäft im 15. Bezirk. Die Mieten für ein ähnlich großes Lokal im 6. oder 7. Bezirk wären "horrend" gewesen, sagt Birgit Rampula. "Das Arbeiten wäre dann unentspannt gewesen", sagt Rampula. Leicht sei ihr der Umzug mit ihrem Geschäft aus dem 6. Bezirk in den 15. aber nicht gefallen. Vom 15. kenne man ja oft nur die Äußere Mariahilfer Straße. Aber die Reindorfgasse an sich habe die drei dann überzeugt. "In der Gebietsbetreuung hat man uns gesagt: Die Reindorfgasse kommt", erzählt Rampula. Und sie ist gekommen.

Zwischen Sechshauser- und Äußerer Mariahilfer Straße liegt das 500 Meter lange Gässchen. Es ist das Schmuckstück des 15. Bezirks. Bobo-Heim statt Rudolfscrime (wegen vieler Negativschlagzeilen früher). Design statt Ramsch. Hier folgt der Laden der Lebensfreude auf das Comic-Geschäft. Der Grow Shop (Geschäft, das auf Hanf spezialisiert ist, Anm.) auf die Second-Hand-Boutique. Dazwischen, neben der kleinen Kirche, liegt das Gasthaus Quell, eine Institution. Außerdem gibt’s dort die (laut Eigenangaben) billigste Pizzeria in ganz Wien, die Mafiosi, und oben am Eck eben den "Block44".

Bobo-Heim statt Rudolfscrime
Rudolfsheim-Fünfhaus
Die jungen Kreativen sind es, die dem Bezirk zu einem Aufschwung verholfen haben, sagt Bezirksvorsteher Gerhard Zatlokal (SPÖ). Rudolfsheim-Fünfhaus ist der jüngste Bezirk in ganz Wien. Hier leben mit einem Anteil von 37,1 Prozent die meisten Menschen im Alter zwischen 15 und 30 Jahren. Das Durchschnittsalter liegt bei 38,6 Jahren – auch das ist das jüngste in ganz Wien. "Die, die zu uns ziehen, sind weltoffen und aufgeschlossener", sagt Zatlokal. Fünfhaus ist sozial durchgemischt, der Anteil nicht-österreichischer Staatsbürger liegt bei 36,9 Prozent. "Gettos hat’s bei uns aber nie gegeben", sagt der Bezirksvorsteher. Alle wohnen überall.

Stadterneuerung

Bobo-Heim statt Rudolfscrime
Rudolfsheim-Fünfhaus
Aktuell werden allein im Bezirksteil Reindorf durch Förderungen der Stadt Wien 24 Baublöcke mit 270 Liegenschaften saniert: Altbestände werden renoviert, Dächer abgetragen, Lichthöfe geschaffen. Die Stadt unterstützt damit private Hauseigentümer, die Mieten dürfen im Gegenzug nicht steigen. Auch am Sparkassaplatz wird viel gebaut. Das alte Gasthaus Eberhard soll zum "Eduard" werden, hört man. Gleich gegenüber liegt das Café Prosa, ein Ort, an dem Jugendliche ohne Konsumzwang ihre Freizeit verbringen können.

Leo, der sein Rad im "Block44" reparieren lässt, ist vor fünf Jahren in den 15. Bezirk gezogen. Die Wohnung sei schön und nicht teuer. 630 Euro zahlen er und sein Kollege für 70. Früher, hätte er sich nicht vorstellen können, je in den 15. zu ziehen. Spitzname Rudolfscrime und so. Heute mag er die Atmosphäre im Bezirk. "Die Leut’ sind einfach gemütlich in Fünfhaus. Man ist mit Öffis gut angebunden und der nächste Park ist gleich in der Nähe." Im Auer-Welsbach-Park zwischen Winckelmannstraße und Linker Wienzeile jongliert Leo dann auch den ganzen restlichen Nachmittag.

Park-Raum

Bobo-Heim statt Rudolfscrime
Rudolfsheim-Fünfhaus
Eduard, Matthias und Léon (16) sitzen an diesem Nachmittag auf einer Mauer bei der Rudolfsheimer Pfarrkirche nahe der Johnstraße. "Nach der Schule sind wir immer draußen. Entweder hier oder im Park", sagt Léon. Aber nicht im Reithoffer Park. "Weil dort ist das Getto", sagt Léon. "Na, das stimmt nicht, manchmal raufen halt welche dort", sagt Eduard. Er geht trotzdem gern hin, weil er dort ums Eck wohnt.

An diesem Tag aber zieht es die Burschen in den Emil-Maurer-Park am Gürtel. "Geh’ ma trampen", sagen sie und meinen Trampolinspringen. Sie wollen sich heute sportlich betätigen, erklären die Burschen, weil die Kochlehrerin nach Tomatensuppe und Sparbiskuit schlecht drauf gewesen sei.

Was die Burschen so treiben, in Fünfhaus? "Wenn wir ein Geld haben, chillen wir uns zum Mäci rein. Oder gehen zu OkayPizza." In der Lugner City halten sie sich eher nicht auf: "Das sind eher so die 18-Jährigen. Wegen Alkohol und so, weißt eh."

15. Bezirkin Zahlen

Jung Der Anteil an 15- bis 30-Jährigen liegt bei 37,1 Prozent. Alter im Durchschnitt: 38,6 Jahre.

Wenig Geld Der 15. Bezirk hat die niedrigste Kaufkraft aller Bezirke in Österreich. Sie liegt bei 16.272 Euro je Einwohner.

74.791 Einwohner hat der 15. Bezirk. 36,9 % von ihnen sind keine österreichischen Staatsbürger.

4256 Menschen sind 2013 nach Fünfhaus gezogen – der vierthöchste Wert in Wien.

Bobo-Heim statt Rudolfscrime

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