100 Tage sind fast geschafft: Turbulente Anfangsphase für Rot-Pink

Michael Ludwig und Bettina Emmerling im Gemeinderat
Am 10. Juni wurde die Stadtregierung angelobt. Die ersten 100 Tage sind fast überstanden und brachten vor allem Sparmaßnahmen, aber auch Positives.

Ein Budgetdefizit von 1,7 Milliarden Euro und eine Arbeitslosenquote, die im Vergleich zum Vorjahr um 4,3 Prozent gestiegen ist. Als allzu rosig kann man die Situation, die die neue Stadtregierung managen – oder besser: bereinigen – muss, nicht bezeichnen. Es mag auch dieser Ausgangssituation geschuldet sein, dass man Rot-Pink, die am Mittwoch vor 100 Tagen angelobt wurden, keinesfalls Untätigkeit vorwerfen kann.

Besonders die SPÖ hat nach einer kurzen Atempause nach der Wahl ein ordentliches Tempo vorgelegt. Dabei fokussieren sich die Roten rund um Bürgermeister Michael Ludwig auf die Dinge, die schon im Wahlkampf viel Raum eingenommen haben: die Wirtschaft unterstützen, das Budget sanieren, Frauen und Jugendliche fördern.

Es rumort im Hintergrund

All das geht naturgemäß einher mit massiven Einsparungen, die insbesondere auch die Bevölkerung treffen werden. In einem ersten Schwung wurden bereits Preiserhöhungen bei den Öffi-Tickets, dem Parken und bei der Ortstaxe angekündigt. Weitere Maßnahmen werden folgen. Derzeit wird hinter den Kulissen verhandelt. Hart, wie man hört.

Der Gemeinderat, bei dem das kommende Budget abgesegnet wird, findet zwar erst am 24. und 25. November statt, doch schon jetzt ist das Rumoren in einzelnen Bereichen kaum zu überhören, besonders die Sozialeinrichtungen fürchten den Sparstift. Ein Indiz dafür ist auch, dass der ohnehin wenig zurückhaltende Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) noch lauter poltert als gewöhnlich und sowohl vom Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) eine bessere Koordination der Deutschkurse verlangt als auch gegen Gastpatienten aus anderen Bundesländern rigoroser vorgehen will (siehe auch Seite 3). Beides mit dem Ziel, Wien operativ und finanziell zu entlasten.

Ludwig hat indes bereits angekündigt, bei der Mindestsicherung nachschärfen zu wollen. Die ersten Maßnahmen, etwa die Kindermindestsicherung wie jene der Erwachsenen an die Wohnbeihilfe zu koppeln, werden nicht die einzigen bleiben. Mit dem Bund will man schon im Herbst zu einer Einigung kommen, um eine österreichweite (vermutlich härtere) Lösung zu finden.

Zurückhaltende Pinke

Die Neos haben sich hingegen auffallend still verhalten. Während die Opposition pro-aktiv bei allen Ankündigungen auf die Barrikaden gegangen ist, haben die Pinken nur auf Nachfrage leise Zustimmung für den großen Regierungspartner signalisiert.

Die Partei rund um Bettina Emmerling, die sich in der neuen Position als Vizebürgermeisterin erst beweisen muss, hat sich zunächst auf schönere Themen, wie die Wiener Märkte, gestürzt. Erst mit Schulanfang hat man begonnen, die heißen Eisen anzugreifen. Emmerling kündigte an, „massiv in Deutschförderung und psychische Gesundheit der Kinder“ investieren zu wollen.

Am Montag wurde zudem ein neues Buddy-System für jugendliche Straftäter angekündigt – eines der vorherrschenden Themen im Wahlkampf.

Trotz aller Herausforderungen, wie man in der Stadt Wien gerne zu Problemen sagt, versucht man so etwas wie Aufbruchstimmung hinzubekommen. Schließlich hat man sich mit dem selbst gewählten Namen „Aufschwungskoalition“ selbst eine hohe Messlatte gelegt.

Auch Schönes dabei

Dass Wien den Zuschlag als Austragungsort für den Eurovision Song Contest bekommen hat, hat wie aufs Stichwort für Euphorie gesorgt – und wird es 2026 wohl wieder tun. Es ist vor allem auch ein Boost für den gut aufgestellten Tourismusstandort. Ein Sektor, den man, wie im Regierungsprogramm zu lesen ist, dezidiert weiter stärken will, da er auch in der schwierigen Wirtschaftslage Wachstum aufweisen kann.

Es wird zudem kaum ein Zufall sein, dass bei der ersten großen Pressekonferenz von der SPÖ ein Pilotprojekt vorgestellt worden ist, um mehr Frauen auf den Arbeitsmarkt zu bringen. Ludwig betont gerne, dass Wien die „Stadt der Frauen“ ist – mit einer hohen Beschäftigungsquote und mehr Einkommen als im Österreichschnitt. Gemeinsam mit Frauenstadträtin Kathrin Gaál als Vizebürgermeisterin und Wirtschaftsstadträtin Barbara Novak, die sich dezidiert für Frauen einsetzt, dürfte er die bisherigen Bemühungen auf ein neues Level heben wollen. 

Wohl wissend, dass Frauen maßgeblich am Integrationserfolg ihrer Familien beteiligt sind. In diese Kerbe schlägt auch die anvisierte Kindergartenpflicht ab 3 Jahren für Kinder von Mindestsicherungsbeziehern, die gerade Frauen entlasten soll (und ihren Kindern helfen soll).

Was jedenfalls klar ist: Auch die nächsten 100 Tage werden keinen Stillstand bringen.

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