Rechtsstreit: Hausherr deckt Mieter mit Klagen ein
Es ist ein Häuserkampf der anderen Art: Wenn Hauseigentümer Mieter mittels Schikanen vertreiben wollen – zumeist mit dem Ziel, die Wohnung danach zu einem deutlich höheren Preis vermieten oder teuer verkaufen zu können. Auch der Wiener Andreas Schlesinger fürchtet, sein Vermieter habe derlei Ambitionen: "Im März kam eine Klage, laut der ich ausziehen und 44.000 Euro für die Benützung der Wohnung nachzahlen soll. Das wäre existenzbedrohend." Der Hausbesitzer kontert, Schlesingers niedrige Miete würden kaum mehr als die Betriebskosten decken.
Grundsätzlich geht der Mieterschutz der Stadt Wien davon aus, dass es in der Bundeshauptstadt jährlich etwa 30 Fälle gibt, in denen Mieter Opfer von Spekulationen werden. Auch die Wiener Mietervereinigung erhält immer wieder Beschwerden von Betroffenen: "Manche Hausbesitzer gehen so weit, dass sie Wasser und Strom abdrehen, den Müll nicht mehr abholen lassen oder sogar Fäkalien vor die Tür legen", erklärt Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der Mietervereinigung. "Andere Hausbesitzer üben psychischen Druck aus, etwa, indem sie Mieter verklagen."
Auch Schlesinger sagt, dass sein Vermieter auf diese Weise Druck ausübe: Er zog im Jahr 1995 in das Haus in der Gottschalkgasse 15 in Wien-Simmering. "Den Mietvertrag habe ich mit der damaligen Hausbesitzerin abgeschlossen", erzählt er. Die Miete, damals noch in Schilling, betrug umgerechnet 187 Euro.
"Jede Instanz hat uns recht gegeben: Die Mieterhöhung war unzulässig. Ich dachte, ich habe Grund zu feiern", sagt Schlesinger. Bis im März 2016 erneut eine Klage eintraf – mit der Forderung nach 44.000 Euro. "Darin behauptet der Hausbesitzer sinngemäß, der Mietvertrag sei nichtig, da es eine zu große Diskrepanz zwischen Leistung und Gegenleistung gebe." Schlesinger ist besorgt: "Ich habe das Gefühl, ich sitze auf einem Pulverfass. Als Selbstständiger bekomme ich keinen Kredit in dieser Höhe." Außer ihm seien vier andere Parteien im Haus betroffen.
Ronald Schlesinger, Leiter des Mieterschutzes der Stadt Wien (mit Andreas Schlesinger nicht verwandt, Anm.), kündigt an, für die Bewohner des Hauses in der Gottschalkgasse eine Info-Veranstaltung zu organisieren: "Wir müssen diesen Fall erst prüfen. Aber es ist eine Methode mancher Besitzer, Gerichtsverfahren mutwillig anzuzetteln. Auch wenn sie kaum eine Chance haben, zu gewinnen. Es geht darum, die Mieter unter Druck zu setzen."
"Fühle mich enteignet"
Der Hausbesitzer – er möchte seinen Namen nicht in der Zeitung lesen – gab auf Nachfrage des KURIER an, die Konfliktsituation belaste ihn ebenfalls: "Ich bin immer auf Konsens aus. Aber wenn ich von den niedrigen Mieten die Betriebskosten wegrechne, bleiben zirka 30 Euro übrig", erklärt er. Er habe 900.000 Euro in die Sanierung des Hauses gesteckt – das sei so nicht rentabel.
Der Hausherr kritisiert das Mietrecht: "Wenn es danach geht, zahlen die Mieter in tausend Jahren immer noch keine höhere Miete." Daher fühle er sich "enteignet".
Er könne aber auch die Situation des Mieters verstehen: "Ich hätte an seiner Stelle wohl auch so reagiert." Ob er einer außergerichtlichen Lösung abgeneigt wäre? Sicher, das wäre eine Möglichkeit, sagt der Hausbesitzer.
Mieter Schlesinger wiederum behauptet: Er habe bereits angeboten, eine höhere Miete von 300 oder 350 Euro zu zahlen – bisher ohne Erfolg.
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