Rechnungshof: Wien verkaufte Immobilien zu billig
Die Stadt Wien schöpft in Sachen Immobilienverkäufen - oder bei der Einräumung von Baurechten - das Erlöspotenzial nicht völlig aus. Das hat der Rechnungshof in einem aktuellen Prüfbericht konstatiert. Generell wurden verbindliche Regeln über die Vorgangsweise bei Liegenschaftsveräußerungen urgiert.
Der Rechnungshof würdigte, dass Wien bereits vor einigen Jahren Schritte gesetzt hat: "Bis zur Festlegung der Immobilienstrategie der Stadt Wien im Jahr 2014 war kein kohärentes Gefüge an Zielen und Vorgaben zum Liegenschaftsmanagement der Stadt Wien vorhanden. Durch die Immobilienstrategie änderten sich die Rahmenbedingungen zum Positiven, weil diese einen gesamthaften Überblick und transparente Entscheidungsgrundlagen ermöglicht." Jedoch: Gefordert wurde von den Prüfern sehr wohl die raschere Umsetzung der Strategie.
Bieterverfahren nur in Ausnahmefällen
Denn noch gestaltet sich das Bild offenbar uneinheitlich. Im Prüfbericht wurde auf mehr Übersichtlichkeit gedrängt: "Die Verwaltung der Liegenschaften der Stadt Wien oblag mehreren Magistratsabteilungen. Im Jahr 2014 verwalteten sie Liegenschaften mit einer Fläche von rd. 557,61 Mio. Quadratmeter. Da die Liegenschaftsverwaltung auf mehrere Organisationseinheiten verteilt war, verfügte die Stadt Wien zur Zeit der Gebarungsüberprüfung über keine Gesamtsicht zu Bestand und Bedarfslage im Bereich des Liegenschaftswesens. Dadurch war das strategiegesteuerte Liegenschaftsmanagement erschwert."
Bei Veräußerungen kam es quasi nur in Ausnahmefällen zu Bieterverfahren: Von 3.400 Liegenschaftsverkäufen im Zeitraum 2005 bis 2014 führte die Stadt Wien nur bei 67 derartige Verfahren durch, kritisierte der RH. Tatsächlich wären solche aber "vorzugsweise" anzuwenden, mahnten die Prüfer.
Die Stadt Wien hatte demnach "keine verbindlichen Regelungen über die Vorgangsweise bei Liegenschaftsveräußerungen getroffen". Bestimmungen, wonach man danach trachten solle, den höchstmöglichen Erlös zu erzielen, fehlten. Wobei nicht nur Verkäufe unter die Lupe genommen wurden. Auch Baurechts-Zinse waren teilweise zu niedrig angesetzt, zudem wurde offenbar beim Verkauf von Kleingartenimmobilien nicht das Maximum erzielt.
Bis zu 40 Prozent unter dem Verkehrswert
Die Gemeinde soll Liegenschaften jedenfalls "teilweise erheblich" unter den von ihr angenommenen Verkehrswerten weitergegeben haben, heißt es im Bericht. Auch würde die Differenz zwischen den Verkaufspreisen und den Verkehrswerten nicht nachvollziehbar dargestellt. Dass man günstigen Wohnbau ermöglichen wollte, wird nicht ausgeschlossen, jedoch sei dies nicht dargelegt worden. "Wirtschaftlich betrachtet entsprachen die der Stadt Wien durch den reduzierten Verkaufspreis entgangenen Einnahmen einer nicht ausgewiesenen Wohnbauförderung", befand der Rechnungshof.
Die Kritik wurde auch in Zahlen gegossen: Wien übergab etwa zwei Liegenschaften an gemeinnützige Bauvereinigungen für Zwecke des sozialen Wohnbaus um bis zu 40 Prozent unter den Verkehrswerten. Für Baurechte hob die Stadt Wien jährlich bis zu 9,36 Mio. Euro (bei Einzelbaurechten, Anm.) und bis zu 23,08 Mio. Euro (bei Baurechten für gemeinnützige Bauvereinigungen, Anm.) zu wenig ein. Bei Kleingärten sei um bis zu 45 Prozent unter dem Verkehrswert verkauft worden, was einen Mindererlös von bis 37 Mio. Euro dargestellt habe. So manchen Neo-Eigentümer dürfte dies gefreut haben. Denn einige Schrebergarten-Immobilien entwickelten sich laut Rechnungshof sogar zu regelrechten Anlageobjekten - etwa in Döbling, wo spätere Verdoppelungen des Wertes verzeichnet wurden.
Liegenschaft am Areal der Semmelweisklinik
Unter den dargelegten Einzelfällen findet sich auch ein viel diskutierter: Der Rechnungshof kritisierte, dass die Liegenschaft am Areal der Semmelweisklinik zur Errichtung von frei finanzierten Wohnungen nicht öffentlich angeboten wurden. Gerade wenn es sich nicht um sozialen Wohnbau handle, sei ein Bieterverfahren die "gebotene Vorgangsweise", hieß es. Dass im gegenständlichen Fall der Käufer vertraglich zu einer Nachzahlung verpflichtet wurde, wenn er eine größere Fläche als ursprünglich geplant bebauen wird (was laut RH der Fall sein wird, Anm.), wurde jedoch als positiv gewürdigt.
Ob der Kaufpreis für die entsprechenden Teile des Semmelweis-Areals - wie von der Opposition kritisiert - zu niedrig veranschlagt war, bleibt offen. Die Prüfer zeigten sich jedoch damit unzufrieden, dass ein entsprechendes Gutachten eines externen Sachverständigen ohne Begründung und ohne Dokumentation als nachvollziehbar und schlüssig angesehen wurde. Der Wiener Gemeinderat genehmigte den Kaufvertrag im Juni 2012. Der Verkaufspreis betrug 4,66 Mio. Euro.
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