Prozessauftakt für Betrügernetzwerk

Abdullah P.
Abdullah P. und Komplizin sollen Asylwerber in Kindergärten einquartiert haben. Waren Vermieter involviert?

Er galt als "Liebkind der Stadt Wien", weil er nach Einführung des Gratis-Kindergartens etliche Plätze schaffen konnte und dabei als Bindeglied zur Migranten-Community fungierte – dafür sonnte er sich gerne im Licht der Öffentlichkeit.

Jetzt ist es finster geworden um Abdullah P., dem nach einer Anzeige wegen mutmaßlichen Fördergeldbetrugs immer mehr Straftaten vorgeworfen werden. Seit April sind der 32-Jährige und seine mutmaßliche Komplizin Silvia K. in Untersuchungshaft. Am Dienstag müssen sie sich wegen gewerbsmäßig schweren Betrugs vor dem Straflandesgericht verantworten.

Horrende Rückstände

Zehn Wohnungen in verschiedenen Bezirken Wiens sollen sie im Namen von Kindergartenvereinen gemietet und dort Asylwerber untergebracht haben. Pro Person sollen sie in bar bis zu 300 Euro pro Monat kassiert haben. Die Eigentümer der Liegenschaften sollen keine Miete gesehen haben, auch die Untervermietung war vertraglich verboten – zumindest offiziell, betont P.s Verteidiger Klaus Ainedter.

Denn einige Vermieter, die sich in der Causa jetzt als Opfer listen lassen, sollen selbst in die Machenschaften verstrickt gewesen sein – behauptet P. Ainedter führt im KURIER-Gespräch die Tatsache ins Feld, dass die Mietrückstände teils horrend sind, die Vermieter aber kein Interesse an einer Delogierung gehabt haben dürften.

Beim Hauptquartier in der Brigittenau etwa sind das 1,7 Millionen Euro in einem Zeitraum von knapp eineinhalb Jahren. "Es ist unglaubwürdig und lebensfremd, dass sich ein Vermieter das so lange gefallen lässt, ohne aktiv zu werden. Es sei denn natürlich, es gab eine Absprache, die jetzt geleugnet wird", erklärt Ainedter. Zum Vergleich: Der Eigentümer einer Wohnung im 17. Bezirk ließ bereits wegen eines Rückstandes von 8800 Euro delogieren.

Gab es einen "Deal"?

Für die Vermieter soll der angebliche Deal einerseits einen steuerlichen Vorteil gehabt haben – Mietrückstände sind ein Abschreibposten –, andererseits sollen sie bei den Bareinnahmen mitgeschnitten haben. "Die vermeintlichen Opfer und ihre Verantwortung werden vor Gericht kritisch zu würdigen sein", stellt Ainedter in den Raum.

Auf KURIER-Anfrage möchte einer der Vermieter, der am Dienstag als Zeuge vor Gericht auftreten wird, keine Stellungnahme dazu abgeben.

Neben dem Mietbetrug geht es am Dienstag um eine Liegenschaft im Wiener Gasometer. Abdullah P. und Silvia K. sollen dem Eigentümer von Büros einen Investitionszuschuss von 111.400 Euro entlockt haben.

Gefälschte Verträge

P. behauptete, mit dem Geld ein Bildungszentrum für jugendliche Migranten einrichten zu wollen und legte dafür gefälschte Förderverträge von AMS und BFI vor. Ein zweites Projekt, für das der Immobilienbesitzer einen Zuschuss von 1,4 Millionen Euro springen lassen wollte, kam nicht mehr zustande.

Anwalt Ainedter will vor Gericht beweisen, dass es auch hier eine Absprache zwischen dem Eigentümer, Abdullah P. und Silvia K. gab. Sein Mandant werde sich jedenfalls zu keinem der Punkte vollinhaltlich schuldig bekennen.

Erschwerend könnte sich für P. vor Gericht seine Vorgeschichte auswirken: Laut einer Krida-Erhebung der Polizei liegen gegen den 32-Jährigen 50 Klagsvormerkungen vor, dazu noch 54 Exekutionsvormerkungen in Gesamthöhe von rund 222.000 Euro.

Silvia K. ist ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt: Die 45-Jährige hat eine Vorstrafe wegen Betrugs. Beim Prozess am Dienstag wird ihr die Beteiligung beim Mietbetrug in zwei Wohnungen und im Fall Gasometer vorgeworfen. Vertreten wird K. vom Wiener Strafverteidiger-Schwergewicht Rudolf Mayer, der sagt: "Meine Mandatin wird sich in allen Punkten nicht schuldig bekennen."

Der Gerichtstermin am Dienstag ist der Auftakt eines regelrechten Verhandlungsmarathons, der sich noch bis ins nächste Jahr ziehen wird: Das sogenannte "Team P.", benannt nach dem mutmaßlichen Kopf des Betrügernetzwerkes Abdullah P., beschäftigt die Justiz bereits seit Mai 2015, und je tiefer die Ermittler gruben, umso mehr Vorwürfe kamen ans Tageslicht: Bildung einer kriminellen Vereinigung, schwerer gewerbsmäßiger Betrug, Urkundenfälschung, Nötigung – die Liste stellt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, aber sie ist lang.

Silvia K., die in der Verwaltung des Netzwerkes tätig war, holt jetzt ihrerseits zum Rundumschlag aus: Sie zeigte die MA 10 (Wiener Kindergärten), die MA 11 (Amt für Kinder und Familie) und das Landeskriminalamt wegen Amtsmissbrauchs und Verletzung des Amtsgeheimnisses an. Zum Inhalt gibt die Staatsanwaltschaft Wien auf KURIER-Anfrage keine Auskunft. Nur so viel: Es seien noch keine Ermittlungen eingeleitet worden.

Millionen Euro Schaden

Angefangen hat die Causa mit einer Anzeige der MA 10, wonach P. Strohmänner für diverse Kindergartenvereine eingesetzt haben soll. Mit Scheinanmeldungen sollen Fördergelder erschlichen und Anstoßfinanzierungen in sechsstelliger Höhe zweckentfremdet worden sein. Im Vorjahr wurde gegen sieben Personen ermittelt. Der genaue Schaden steht noch nicht fest, er dürfte aber in die Millionen gehen.

Ein Wirtschaftsgutachter wurde beauftragt, die Finanztransaktionen zu prüfen, da Geld ins Ausland, etwa die Türkei, geflossen sein könnte. Das Gutachten wird in den nächsten Wochen erwartet.

Bei einer Polizeirazzia im Hauptquartier des Team P. in Wien-Brigittenau im Dezember 2015 wurden Datenträger und Akten sichergestellt – unter anderem Mietverträge, die zur ersten Anklage wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs geführt haben (siehe Bericht oben).

Im Jänner 2016 flog eine Cannabis-Plantage in einer Lagerhalle in Simmering auf, am Mietvertrag steht der Name Abdullah P. Dieser behauptet aber, sein Untermieter sei dafür verantwortlich, er habe davon nichts gewusst. Eine Anklage gibt es dazu noch nicht, die Beweise ließen sich offenbar bislang nicht verdichten.

Im Frühling kam dann ein neuer, pikanter Vorwurf dazu: Ein junger Mann zeigte einen Mitarbeiter von P. wegen Vergewaltigung an – die Ermittlungen wurden aber mangels Beweisen eingestellt. Er sprach gegenüber der Polizei und später dem KURIER von Sex- und Drogenpartys unter Männern und gab an, nach seiner Anzeige via SMS bedroht worden zu sein.

Abgemagert, fehlende Zähne: So beschreiben Personen aus dem Umfeld von Abdullah P., den mutmaßlichen Kopf eines Betrügernetzwerkes, vor seiner Inhaftierung im April. Am Dienstag muss sich der 32-Jährige wegen Mietbetrugs vor Gericht verantworten.

Die Beschreibung passt zu einer Behauptung, die P. über sich selbst aufgestellt hat: Er sei drogenabhängig, habe Crystal Meth und Kokain genommen. In U-Haft habe er einen Entzug gemacht, sei jetzt geläutert und wolle den Drogen um seiner Kinder willen abschwören. Wie der KURIER erfuhr, hat er einen Antrag auf "Therapie statt Strafe", gestellt. Sein Anwalt Klaus Ainedter bestätigt das nicht.

P.s Chancen dürften aber gering sein: Das Modell ist für jene vorgesehen, die wegen eines Suchtgiftdeliktes oder für Beschaffungskriminalität wie Diebstahl und Raub verurteilt worden sind.

Dann besteht die Möglichkeit, die Haftstrafe für die Dauer einer Drogentherapie aufzuschieben. Wird sie nach längstens zwei Jahren erfolgreich absolviert, kann die Strafe in eine bedingte umgewandelt werden – sprich: der Verurteilte kommt auf Bewährung frei.Dazu muss man aber erst einmal rechtskräftig verurteilt werden, erklärt Christina Salzborn, Sprecherin des Landesgerichts. Abdullah P. war also etwas voreilig, bereits vor Prozessstart um eine Straferleichterung anzusuchen.

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