Praterstern ist Obdachlosenmagnet
Die blauen Bodenmarkierungen am Praterstern sind ein Versuch. Sie sollen helfen, die Ein- und Ausgänge zum Bahnhof freizuhalten. Unter anderem frei von „marginalisierten Menschen“ – wie jene, die am Rand der Gesellschaft stehen, im Fachjargon der Streetworker genannt werden. Gemeint sind Obdachlose, Alkoholkranke und Drogenabhängige, die vor dem Bahnhof herumlungern.
Passanten, Fahrgäste und Unternehmer, die ihre Geschäfte auf dem Bahnhofsareal haben, fühlen sich von Dutzenden Obdachlosen gestört. „Viele sind verunsichert, haben einfach ein unangenehmes Gefühl“, sagt der Bezirksvorsteher der Leopoldstadt, Karlheinz Hora (SP). „Zum Beispiel, weil die Ausgänge oft von den Obdachlosen versperrt sind.“ Vertreiben wolle man diese aber nicht.
Abhilfe sollen nun die neuen blauen Streifen und „Fußgänger“-Piktogramme schaffen, die die Wege vor dem Bahnhof kennzeichnen. Die Maßnahme scheint zu funktionieren: Beim KURIER-Lokalaugenschein am Dienstagvormittag stehen etliche Personen mit Schnapsflasche oder Bierdose in der Hand in den Bereichen zwischen den Ausgängen herum – nicht mehr direkt davor.
Der Praterstern ist nicht erst seit Kurzem Anlaufstelle für Menschen am Rand der Gesellschaft. Zum einen ist er öffentlich leicht zu erreichen. Und zum anderen bietet ein täglich geöffneter Supermarkt in der Bahnhofshalle permanente Versorgung.
„Nicht nur für Obdachlose“, wie Hannes Schindler von der Suchthilfe Wien erklärt, „sondern auch für Menschen in prekären Wohnverhältnissen, die den Praterstern quasi als erweitertes Wohnzimmer nutzen und hier ihre sozialen Kontakte pflegen.“ Einer, der hier die Tage verstreichen lässt, ist der 30-jährige Jimmy (Name von der Redaktion geändert).
Weil er ein Beziehungsende nicht verkraftete, verprasste er sein gesamtes Geld, verlor seinen Job und kurz danach seine Wohnung. Seit mehr als vier Jahren lebt er auf der Straße. Alkohol hilft ihm, seine Situation zumindest kurzfristig zu vergessen. „Zu einem typischen Prater-Frühstück gehören Schnaps und Zigaretten“, sagt er. Einen Ausweg zu finden, ist da schwer. „Man ist in einem Kreislauf drinnen: Kein Job, keine Wohnung. Keine Wohnung, kein Job.“
Hilfe und Kontrolle
Streetworker der Suchthilfe-Abteilung „SAM“ (Sozial, sicher, aktiv, mobil) betreuen diese Klientel seit mehr als fünf Jahren. „Wir bauen Vertrauen auf und versuchen, den Leuten die Schwellenangst zu nehmen, damit sie weitere Betreuungseinrichtungen in Anspruch nehmen“, erklärt Schindler. Darüber hinaus bemühen sich die Sozialarbeiter, bei Beschwerden zwischen den Obdachlosen und „der Öffentlichkeit“ zu vermitteln. Das Gesprächsklima sei vernünftig.
Um die Sicherheit zu gewährleisten, sind Polizeistreifen täglich von 7 bis 22 Uhr und auch in der Nacht auf dem Bahnhofsareal unterwegs. Ein Großteil der Einsätze – 2012 waren es 1003 – entfalle auf Erste Hilfe, Ladendiebstähle oder Ordnungsstörungen, erläutert Bezirksinspektor Robert Kandler. Tätliche Auseinandersetzungen kämen zum Großteil innerhalb der Obdachlosen-Gruppen vor.
Zudem seien die Obdachlosen nicht alleiniger Grund für die Polizeieinsätze am Bahnhof. Die wenigsten seien gewalttätig oder kriminell. „Die meisten wollen bloß in der Gruppe sein und ihre Ruhe haben.“
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