Polster Anton und Wiener Viktoria
Was haben Rapid, Austria und Wr. Viktoria gemeinsam? Alle drei Wiener Klubs stehen in der zweiten Cup-Runde, der Verein aus Meidling sieht sich in der Hauptstadt als dritte Kraft. Mit einem Augenzwinkern freilich. Hätte man einen Bundesligisten gezogen, wäre man auf den Sportklub-Platz nach Hernals ausgewichen, gegen Kapfenberg bleibt man aber in Runde zwei der Heimstätte in der Oswaldgasse treu.
Der Schmähbruder
Braun gebrannt, die Frisur gelockt und gebändigt, die Sonnenbrille modisch, wie immer einen Schmäh` nach dem anderen auf den Lippen. Mitarbeiter des Vereins werden von Toni Polster grundsätzlich mit Wangenkuss begrüßt: "Hallo, mei` schena Bua."
Fünf Tage in der Woche bittet der Goleador in Ruhestand seine Schützlinge zum Training, am Wochenende wird Einstudiertes in einem Test in Hinblick auf die Saison in der Wiener Stadtliga geprobt. "Frei ist nur der Sonntag."
Ein Schleifer sei er deshalb noch lange nicht. "Da müssen die Burschen reinbeißen. Bei meinem Training hat sich aber noch keiner erbrochen. Ich verzichte auf das ewig lange Laufen, so wie wir es früher machen mussten." Vielmehr setzt Polster auf hoch intensives Intervall-Training. Und auf Lifekinetics, eine Trainingsmethode, bei der mit unkonventionellen Übungen Reize gesetzt werden.
Immerhin will man hoch hinaus in Wien-Meidling, auch wenn man sich vorerst bescheidene Ziele setzt in der vierten Leistungsklasse, die kommendes Wochenende angepfiffen wird. "Als Aufsteiger müssen wir uns zuerst konsolidieren. Aber natürlich nehmen wir, was wir bekommen können. Ich bin begeistert von unseren jungen Talenten." Die sollen angeführt werden von den wenigen Routiniers wie Abwehrchef Mario Feurer. Der Altersschnitt des Kaders beträgt 23,5 Jahre. "Ich habe eine gute Truppe." Und mit Markus Kappeler einen Torjäger, der in der Oberliga 46 Tore erzielt hat und ihn ein wenig an sich selbst erinnert.
Soziale Ader
Wr. Viktoria ist aber nicht Fußball allein. Hinter dem Verein stecken engagierte und vor allem innovative Menschen mit einer dicken sozialen Ader. Kein Wunder, dass die Wiener im Oktober auf dem Sportklub-Platz ihrer Freundschaft zum FC St. Pauli mit einem Freundschaftsspiel Ausdruck verleihen. Irgendwie wirkt Wr. Viktoria wie das St. Pauli von Wien. Anders. Sympathisch.
Von November bis März dürfen Obdachlose, die sonst keine Schlafstätte in Wien finden, in den Kabinen nächtigen. Nach dem Training wird umgebaut auf ein Schlafgemach für bis zu 30 Menschen. Obmann Roman Zeisel: "Wir stellen einen Aufpasser und einen Psychologen zur Verfügung."
Jedes Nachwuchsteam des Vereins verfügt auch über einen Lebensberater in Ausbildung, der auf dem Sportplatz sein Praktikum absolvieren kann. Kinder und Jugendlich will man wegbekommen von den Verlockungen der Straße und hin zum Fußball. Für die Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund bietet der Verein während der Trainingseinheiten im Büro Deutschkurse um einen Euro an.
Das nächste Projekt, weiß Zeisel, könnte provozieren. Geplant ist, die Damen des Straßenstrichs unter Aufsicht eines Sozialarbeiters bei einem Heimspiel auf den Platz in die Oswaldgasse zu bekommen und ihnen gratis Maniküre und Pediküre anzubieten. Vier Nagelstudios haben ihre Kooperation schon zugesagt. "Wir wollen damit aufmerksam machen." Zeisel spielt mit der Polizei einen Doppelpass. "Wir sind gut vernetzt."
Gut genetzt hat einst auch Toni Polster. Jetzt möchte er sich in seiner neuen Karriere als Trainer beweisen. "Ich möchte schon irgendwann in der Bundesliga arbeiten. Ich werde schon einmal meine Chance bekommen."
Das Highlight des Herbstes wird das Spiel gegen St. Pauli. Polster ist ein Freund des Hamburger Vereins, kennt dort alle Leute bis hin zum Busfahrer. "Der ist ein begnadeter Schauspieler. Er hat sogar einmal mit Schimanski in einem `Tatort` gespielt. Er war damals die Wasserleiche."
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