Polizisten erschossen Wiener: Kein Prozess
Der Tod des 52-jährigen Gerhard A., der im Juni 2013 in Wien-Liesing von WEGA-Polizisten erschossen wurde, hat keine strafrechtlichen Folgen. Die Staatsanwaltschaft gab am Donnerstag bekannt, dass sie das Verfahren eingestellt hat. Den Schützen wurde Nothilfe zugebilligt.
A. verschanzt sich in seiner Wohnung im zweiten Stock. Die beiden Streifenpolizisten reagieren goldrichtig und rufen die WEGA. Die rückt mit acht Beamten an, die versuchen, die Eingangstür aufzubrechen.
Vier der acht Polizisten feuern daraufhin Schüsse ab. 20 Schüsse fallen, acht Projektile treffen A. im Brustbereich. Der 52-Jährige hat keine Überlebenschance.
Ermittlungen
Die Staatsanwaltschaft nimmt gegen die vier WEGA-Beamten Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen auf - und kommt ziemlich exakt ein Jahr nach dem tödlichen Einsatz zu dem Schluss: Es war Notwehr, genauer Nothilfe.
Es habe ein "andauernder, anhaltender Angriff" und damit eine Notwehrsituation vorgelegen, sagt Behördensprecherin Nina Bussek. Der 52-Jährige habe das Messer, mit dem er einen der WEGA-Beamten traf und der nur dank seiner Schutzweste unverletzt blieb, nicht aus der Hand gegeben. "Er hat weiter Stichbewegungen ausgeführt." Folglich "konnten die Beamten davon ausgehen, dass der Angriff anhält" und sich nach Ansicht der Anklagebehörde in Bezug auf den attackierten Kollegen auf Nothilfe berufen. Zur Abwehr des Angriffs "war der Waffengebrauch im Sinne des Waffengebrauchsgesetzes gerechtfertigt".
WEGA-Beamte sind allerdings mit Taser, Pfefferspray und Schlagstöcken ausgerüstet - und § 5 des Waffengebrauchsgesetzes bestimmt, dass, wenn verschiedene Waffen zur Verfügung stehen, "nur von der am wenigsten gefährlichen, nach der jeweiligen Lage noch geeignet scheinenden Waffe Gebrauch gemacht werden" darf.
Waren Schüsse notwendig?
"Wenn jemand mit einem Messer auf einen Polizisten losgeht, ist das ein beträchtlicher Angriff. Und einen solchen darf man abwehren - und zwar mit dem Mittel, das notwendig ist", erklärt Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs. "Das Entscheidende ist die Notwendigkeit."
Eine mögliche Notwehrüberschreitung sei zwar geprüft, aber letzten Endes verneint worden, sagt Bussek dazu: "Polizisten müssen in einer derartigen Situation in Sekunden entscheiden, zu welchem Mittel sie greifen. Und in diesem Fall ist die Staatsanwaltschaft zu der Überzeugung gelangt, dass der Schusswaffengebrauch vertretbar war."
Dennoch sind "dort, wo der Staat gegen sich selbst ermitteln muss, Verfahrenseinstellungen immer problematisch und unbefriedigend", sagt Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich. "Es wäre für alle Beteiligten, die Familien der Schussopfer, aber auch für die Polizisten, besser, wenn es einen ordentlichen Prozess gäbe, mit einem klaren Urteil." Nachsatz: "Und wenn der Taser dort, wo er mitgeführt wird, nicht eingesetzt wird, wirft das die Frage auf, wozu die Beamten dann überhaupt einen haben."
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