Häupl will neues Sicherheitskonzept für Wien
In Wien wird es in Zukunft weniger Polizeiinspektionen geben. Das sieht der Plan von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner vor. Sie sieht ihre Polizeireform als Maßnahme, um mehr Polizisten auf die Straße zu bringen. In wenigen Wochen entscheidet das Innenministerium, welche Standorte fallen werden. Im KURIER-Interview sagt nun Wiens Bürgermeister Michael Häupl, dass er darüber erst reden wolle, wenn seine Forderungen auf Umsetzung des 2011 mit dem Innenministerium geschlossenen Sicherheitspakts erfüllt werden. Ein zentraler Punkt dabei sei ein neues Sicherheitskonzept.
KURIER: Heute findet in der Wiener Hofburg unter Begleitmusik Tausender Demonstranten der Akademikerball statt. Würden sie die Veranstaltung auch im Rathaus zulassen?
Michael Häupl: Nein, wir haben schon 19 Bälle im Haus. Für die haben wir weder Platz noch Zeit.
Wenn man sich die Strafanzeigen anschaut, ist Wien der Kriminalitäts-Hotspot in Österreich. Wie zufrieden sind Sie mit der Sicherheitslage?
Zufrieden, aber nur im Vergleich mit anderen Städten Europas. Ich bin aber auch unzufrieden, weil die Wienerinnen und Wiener in der Vergangenheit anderes gewohnt sind. Das ist auch der Grund, warum wir 2011 mit dem Innenministerium einen Sicherheitspakt geschlossen haben.
Da geht es primär um 1000 Polizisten zusätzlich für Wien bis 2015.
Nicht nur, wir haben auch ein neues Sicherheitskonzept für die Stadt vereinbart. Und ich verlange hier die Einhaltung auf Punkt und Beistrich.
Sie wollen damit auch ein neues Sicherheitskonzept. Worum geht es Ihnen da?
Wien ist eine wachsende Millionenmetropole. Daher kann es jetzt nicht um die Sperre von Polizeiinspektionen gehen. Es geht vielmehr um neue Sicherheitsstandards, unter Berücksichtigung der Bevölkerungsentwicklung, der Kriminalitätszahlen und auch um das subjektive Sicherheitsgefühl. Das will ich berücksichtigt wissen.
Was verstehen Sie unter subjektivem Sicherheitsgefühl?
Es macht mich weniger sicher, wenn an mir nur ein Polizeiauto vorbeifährt. Ich will viel mehr Polizisten auf der Straße sehen. Das beruhigt mich mehr. Das gilt auch für die Wienerinnen und Wiener. Ihnen ist es auch wichtiger, dass Sie in ihrem Wohngrätzel einen Polizisten als Ansprechpartner vorfinden.
Klingt so, als wären Sie gegen die Sperre von Polizeidienststellen in der Stadt.
Darüber kann man mit mir erst reden, wenn der Sicherheitspakt hält. Das ist für mich unabdingbar. Angesichts der Bevölkerungsentwicklung wird man Teile der Polizeikräfte verlagern müssen.
In welchen Teilen der Stadt sollte die Verlagerung der Polizei stattfinden?
Derzeit haben wir sehr viele Polizeiinspektionen in der Innenstadt, aber noch zu wenige in jenen Teilen Wiens, wo die Bevölkerung überproportional wächst, also jenseits der Donau. Man wird daher nicht nur reden müssen, welche Polizeiwachen man zusperrt oder zusammenlegt. Es ist auch darüber zu reden, welche Polizeiinspektionen in nächster Zeit neu eröffnet werden. Das ist mir im Vorfeld der Gespräche wichtig.
Während es die Verbrecher in die Städte zieht, versieht der Großteil der 27.387 Polizisten Österreichs einen relativ ruhigen Dienst in den ländlichen Regionen. Der Rechnungshof fordert daher umfangreiche Personalumschichtungen und einen Kahlschlag bei den 96 Polizeiinspektionen in Wien.
Der Rechnungshof ermittelte österreichweit das Verhältnis zwischen Polizisten und Strafanzeigen. Das heißeste Pflaster ist Wien – und der heißeste Ort Österreichs ist der Bezirk Favoriten. 200.820 Anzeigen im Jahr 2011 ergaben bei 6925 Polizisten eine Pro-Kopf-Anzeigenquote von 28,9. Im Burgenland kamen auf einen Beamten nur 6,79 Anzeigen. Von den 100 Behördensprengeln sind 14 die Polizeidirektionen der großen Städte. Diese verarbeiteten aber 56 Prozent der 540.000 Anzeigen. Besonders hoch ist der Arbeitsdruck auch für die Polizisten in Graz. Dort werden 40 Prozent aller Anzeigen des Bundeslandes Steiermark erstattet.
Grenzpolizei
Die stärksten „nicht nachvollziehbaren“ Unterschiede zwischen dem Anteil der Straftaten und dem Anteil der Exekutivbediensteten haben die Bundesländer mit einer ehemaligen Schengen-Außengrenze. Das erklärt ein Insider im Innenministerium mit der ehemaligen Grenzgendarmerie und den in den Polizeidienst übernommenen Zollwachebeamten. Diese genießen Versetzungsschutz, und man müsse auf „natürliche Abgänge“ warten, um ihre Dienstposten in die Städte zu transferieren.
Aber auch dort soll nach dem Willen der Rechnungshofprüfer kein Stein auf dem anderen bleiben. Sie fordern die radikale Auflösung der 96 Polizeiinspektionen in Wien. Die Wiener Polizisten sollten künftig in 23 Zentralinspektionen zusammengefasst werden. Dadurch könne man 265 Beamte mehr auf die Straße schicken. Mit der Maßnahme ließe sich zudem die in Wien sehr unterschiedliche Arbeitsbelastung ausgeglichen werden. Laut Statistik (siehe Grafik) muss ein Beamter am Hotspot Favoriten fast doppelt so viel arbeiten wie ein Polizist in Döbling.
Widerstände sind vorprogrammiert. Polizeigewerkschafter Hermann Greilinger fürchtet, dass die angestrebten Reduktionen berufliche Nachteile für die Beamten mit sich bringt. Der Versuch im vergangenen Jahr, einige Polizeiinspektionen in den Nachstunden zu sperren, musste sehr bald wegen regionaler Widerstände wieder aufgegeben werden.
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