Polizei-Proteste gegen den Wiener "Tatort"

Tatortfolge "Wehrlos"
Brief an ORF-Wrabetz: Die TV-Ermittler arbeiten "fernab jeder Realität" und würden die Polizei "diffamieren".

Die letzte Wiener Tatort-Folge ("Wehrlos") lässt bei der Polizei die Wogen hochgehen. Nach einer Vielzahl von Beschwerden aus Exekutivkreisen schrieb der oberste Gewerkschafter Reinhard Zimmermann einen bösen Brief an ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz – mit teils bissiger Kritik an der gesamten Serie, zumindest was den österreichischen Teil betrifft. Zuletzt hatte es solche Beschwerden zu Zeiten des TV-Ermittlers "Kottan" gegeben.

"Die Darstellung der Polizeiarbeit wird in vielen Punkten einfach unrichtig wiedergegeben", steht in jenem dem KURIER vorliegenden Schreiben. Das betreffe allerdings fast ausschließlich die österreichischen Folgen des Tatorts, die deutschen seien der Realität weitaus näher.

Polizei-Proteste gegen den Wiener "Tatort"
Reinhard Zimmermann, Polizeigewerkschaft, FCG, Vorsitzender
Bei "Wehrlos" ging es am 23. April um sexuelle Übergriffe, Erpressung und Mord in den eigenen Reihen. In Deutschland erreichten die TV-Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) damit einen neuen Rekordwert – mit 9,34 Millionen Zuschauern. Auch in Österreich schalteten diesmal rund 923.000 Seher ein, ein sehr guter Wert. Selbst deutsche Kritiker stuften die Handlung aber als "krass" ein.

"Wir sind keine verkrachten Existenzen"

Gewerkschafter Zimmermann (FCG) geht weiter, die Folge sei "fernab jeder Realität. Es wird ein Bild der Polizei in Österreich dargestellt, das es schlicht und einfach so nicht gibt." Er fordert für seine Kollegen eine "wahrheitsgetreue Darstellung des Berufsstandes".

Zuletzt hatte auch Münchens Polizeisprecher Marcus de Gloria Martins - etwas gedämpftere - Kritik geübt. So schaue er zwar gerne den Tatort, sagte er in einem TV-Interview, "aber wir sind keine verkrachten Existenzen", wie sie dort oft dargestellt werden würden. "Auch Vorgesetzte sind deutlich netter."

Polizei-Proteste gegen den Wiener "Tatort"
epa04203553 Austrian actors Adele Neuhauser (R) and Harald Krassnitzer (L) pose at a photocall during the shooting of the Tatort crime series episode 'Nullsummenspiel' in Vienna, Austria, 13 May 2014. EPA/HERBERT NEUBAUER
Der ORF betont in einer schriftlichen Stellungnahme, dass der Tatort "natürlich keine detailgetreue Wiedergabe der Polizeirealität, sondern fiktionales Programm" sei. Dabei würde nie ein "Gesellschaftsbereich pauschal kritisiert". Es würde die "individuelle Verantwortung" herausgearbeitet: "Völlig außer Streit steht, dass österreichische Polizistinnen und Polizisten hervorragende Arbeit leisten. Sie sind in diesen Geschichten letztlich immer diejenigen, welche die Wahrheit ans Licht bringen, Unrecht zur Verantwortung ziehen und für Ordnung sorgen."

Polizei bevorzugt "Trautmann"

Interessanter Nebenaspekt: Die Polizei zeichnete kürzlich "Trautmann"-Darsteller Wolfgang Böck aus, auch weil er so nah an der Realität spielt. Eigentlich sollte Trautmann 2002 sogar der österreichische Tatort-Ermittler werden. Doch die ARD legte sich damals quer, weil Böck zu sehr Wienerisch sprach. Das war offenbar zu realitätsnah. Deshalb ermitteln seither Eisner und Fellner.

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