Wien: Pflegechefs attackieren Ärzte
Die internen Gespräche zur Lösung des Streits um die Ärzte-Arbeitszeit in den Gemeindespitälern haben eben erst begonnen, schon tut sich das nächste Konfliktfeld auf.
In einem Brief wenden sich jetzt zahlreiche führende Vertreter des KAV-Pflegepersonals an Bürgermeister Michael Häupl und Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) und verurteilen die jüngsten Kampfmaßnahmen der Ärzte scharf. Das Pflegepersonal habe "zunehmend weniger Verständnis für die Forderungen der Ärzteschaft", heißt es in dem Schreiben, das dem KURIER vorliegt. Man habe den Eindruck, dass von den Ärzten im aktuellen Konflikt oft nicht nachvollziehbare Argumente vorgeschoben würden, "um alte, tradierte Verhaltensweisen bei der Diensteinteilung weiterführen zu können, z.B. 25-Stundendienste mit Schlaferlaubnis, Tagesarbeitszeiten mit Dienstende um 13 Uhr usw."
Weiters betont man, dass die Pflegeberufe zuletzt viele ärztliche Leistungen übernommen hätten. "Klar vereinbart war jedoch auch, dass die Leistungsübernahme (...) auch veränderte, optimierte Arbeitsabläufe seitens des ärztlichen Dienstes bedingen muss..."
Die Forderungen der Ärzte, heißt es weiter, würden nicht nur die Zusammenarbeit mit den anderen Berufsgruppen belasten, "sondern zunehmend das gesamte Gesundheitsbudget unserer Stadt..."
Auch beim Streik am vergangenen Montag sei den Pflegern die meiste Verantwortung zugemutet worden, etwa beim Führen kritischer Gespräche mit den Patienten.
"Es sind unsere Mitarbeiter, die den Patienten erklären mussten, warum es während des Streiks zu Verzögerungen kam", schildert Günter Dorfmeister, Direktor des Pflegedienstes am Wilhelminenspital, dem KURIER. Grundsätzlich sei durch all die Streik-Aktivitäten sehr viel an Arbeitskapazitäten vergeudet worden. "Wir vermissen die Solidarität durch die Ärzteschaft", sagt Dorfmeister.
Das Schreiben sei nach Gesprächen mit Pflege-Mitarbeitern an der Basis in vielen KAV-Häusern entstanden. Dass es beim Verfassen andere Motivationen "von wem auch immer" gegeben habe, weist Dorfmeister von sich.
Spaltungsversuche?
Solche ortet der Wiener Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres: "Hier wird künstlich versucht, einen Keil zwischen Pflege und Ärzte zu treiben. Es ist bezeichnend, dass dieser Brief nur von den Führungskräften unterzeichnet wurde." Die Masse der Pflegekräfte arbeite gut mit den Ärzten zusammen. "Den Ärzten ist bewusst, wie massiv auch sie unter Druck stehen."
Doch wie groß ist die Kluft zwischen Ärzten und Pflegekräften tatsächlich? "Die Pflege ist in sich sehr gespalten", sagt Gewerkschafter Kurt Obermülner, Landesvorsitzender der FCG-Younion Wien. "Viele sind in der Tat über die Aktionen der Ärzte verärgert. Es gibt aber auch viele, die am liebsten ebenfalls auf die Straße gehen würden." Denn auch beim Pflegepersonal habe die Unzufriedenheit mittlerweile enorme Ausmaße angenommen. "Derzeit herrscht ein Overkill an neuen Projekten im KAV. Und vieles davon bekommt eben auch die Pflege ab", sagt Obermülner.
Unabhängig davon hätten für ihn die Kritikpunkte, die die Ärzte vorbringen, jedenfalls ihre Berechtigung.
In die zweite Runde gingen am Donnerstag die internen Gespräche, die Mitglieder des KAV-Managements und Ärztevertreter, die Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) und die Ärztekammer nach dem Warnstreik am Montag vereinbart hatten. Bis 24. September sollen dabei die strittigen Punkte (vor allem die Reduktion von Nachtdiensten sowie die Umwandlung von 25-Stunden- auf 12,5-Stunden-Dienste) bereinigt werden.
Offiziell haben beide Seiten Stillschweigen über den Fortgang der Gespräche vereinbart. Dem Vernehmen nach verlaufen die Verhandlungen in der KAV-Generaldirektion in Erdberg jedoch überaus zäh.
Überzeugungsarbeit
Es spießt sich vor allem bei der vom KAV gewünschten Ausweitung der 12,5-Stunden-Dienste. Sie war einer der Auslöser der jüngsten Kampfmaßnahmen der Ärzte. Auch in den jetzt laufenden Gesprächen – so ist aus Verhandlerkreisen zu hören – gelingt es der KAV-Führung nicht, den Ärzten zu erklären, worin die Vorteile der verkürzten Nachtdienst-Räder liegen sollen.
Parallel zu den Gesprächen bereitet das Streikkomitee der Ärztekammer weiterhin neue Kampfmaßnahmen vor, die im Falle des Scheiterns der Gespräche bereits ab 26. September ergriffen werden. Sie würden wesentlich schärfer als der jüngste Warnstreik ausfallen. Mit dieser Doppelstrategie wollen die Ärztevertreter vor allem verhindern, dass die Stadt eine Lösung des Konflikts verschleppt.
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