Die Beschwerden über zu lange Intervalle und Verspätungen bei den Wiener Linien häufen sich auf sozialen Medien. Gründe sind die Pensionswelle, Krankenstände und zu wenig neue Mitarbeiter
"Dann nehm ich mir eben wieder ein Taxi. Das war aber dann die letzte Jahreskarte, die ich gekauft habe. Am Land fährt der Postbus mittlerweile verlässlicher und öfter“, schreibt eine Bezirksrätin aus Neubau auf Twitter. Dazu postet sie ein Foto mit Wartezeiten: 37 Minuten für den 2er am Ring, 26 Minuten für den 60er Richtung Westbahnhof. Es ist eine der vielen Nachrichten, die die Wiener Linien in den vergangenen Wochen erreichen. Viele Öffi-Fahrer beschweren sich über lange Intervallzeiten.
Was sind die Gründe für die Wartezeiten? Und wie gehen die Wiener Linien mit den Vorwürfen um? Oft sind parkende Autos oder auch ein Gebrechen im Rollmaterial schuld für verspätete Straßenbahnen. Der aktuelle Hauptgrund sei aber das Fehlen der Arbeitskräfte, heißt es. Und die fehlen aus diversen Gründen: zahlreiche Krankenstände, eine anhaltende Pensionierungswelle und fehlende neue Bewerber.
Neuer Fahrplan
Und das führte schließlich dazu, dass seit November bis auf Widerruf 11 der 28 Straßenbahnlinien (O, 2, 6, 11, 25, 26, 30, 31, 43, 46, 49 ) und 9 der 131 Buslinien (1A, 7A, 13A, 14A, 26A, 35A, 40A, 48A, 59A) einen neuen Fahrplan haben. Dadurch sollte sich eine kleine Intervall-Veränderung von 15 bis 40 Sekunden ergeben, hießt es.
Darüber können Öffi-Fahrer, die immer wieder mehr als 20 Minuten warten müssen, wohl nur schmunzeln. Ein Antrag der Grünen vom 25. November 2022 für Maßnahmen zur Beschleunigung der Wiener Linien – wie etwa die Öffis bei der Ampelregelung zu bevorzugen oder Parkverbote dort aufzustellen, wo es zu Fahrtbehinderungen kommen würde, wurde von SPÖ, Neos, ÖVP und FPÖ abgewiesen. Und die Beantwortung einer Anfrage der Grünen an Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) zu den Betriebsausfällen der Wiener Linien sei noch ausständig.
Generationswechsel
„Die Auswirkungen des Arbeitskräftemangels – die wir wie viele andere Branchen derzeit zu spüren bekommen – merkt man bei uns leider direkt an der Haltestelle. Jeder Fahrgast, der deshalb länger warten muss, ist einer zu viel. Dafür möchte ich mich entschuldigen“, so Geschäftsführerin Alexandra Reinagl zum KURIER. 600 Mitarbeiter wurden 2022 in den Ruhestand verabschiedet. Ausgeschrieben sind derzeit 120 Jobprofile: von Facharbeiter in den Werkstätten bis zum Juristen. Über 900 Mitarbeiter wurden 2022 eingestellt. Aber das reicht nicht. Im Fahrtendienst fehlen Mitarbeiter: 100 Plätze gibt es in Straßenbahn-Cockpits, 90 in den Bus-Cockpits. Recruiting-Kampagnen für Straßenbahnfahrer und Buslenker sollen dem entgegenwirken. Sujets kleben auf U-Bahn-Fenstern. Auch die Kampagne „Öffiziell“ zeigt seit November Wiener-Linien-Mitarbeiter.
Ohne sie stehe Wien still. Man möchte das Job-Image verbessern, junge Menschen motivieren: Die bezahlte Ausbildung zum Straßenbahnfahrer (ab 24 Jahren) oder zum Buslenker (ab 21) dauert drei Monate.
Das Einstiegsgehalt liegt bei 2.300 Euro brutto. Die Ausbildungsplätze wurden verdoppelt, monatlich startet eine Straßenbahnschule, um Nachwuchs auszubilden. In manchen Bereichen (IT, Rechtsabteilung) wird außerdem die 4-Tage-Woche getestet.
Für Verkehrsexperte Hermann Knoflacher zählt der öffentliche Verkehr in Wien weiterhin zu einem der weltbesten. Durch Personalmangel könne es seiner Meinung nach nur zur „Verdünnung des Fahrplanes“ kommen. „Es fehlt aber an Flexibilität, das Potenzial der Zuwanderer, von wo sie auch kommen, für diese Jobs zu nutzen“, meint er. Laut Wiener Linien werden bereits zukünftige Fahrer, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, gezielt mit Deutschkursen unterstützt.
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