Patientenanwältin Pilz: "Spreche die Probleme laut an"
Sigrid Pilz wurde am Dienstag von der Landesregierung für weitere fünf Jahre als Patientenanwältin bestätigt. Im KURIER-Gespräch schildert die ehemalige grüne Gemeinderätin ihre Pläne und rechnet mit ihren Kritikern ab.
KURIER: Frau Pilz, welche Vorhaben wollen Sie in Ihrer zweiten Amtszeit umsetzen?
Sigrid Pilz: Ich möchte unser Kerngeschäft so ambitioniert wie bisher weiterführen. In der abgelaufenen Periode haben wir außergerichtlich 7,4 Millionen Euro für die Patienten erstritten. Das ist um 1,5 Millionen Euro mehr als noch zwischen 2007 und 2011. Weiters werde ich mich für eine höhere Dotation des Patientenentschädigungsfonds einsetzen, dessen Reserven mittlerweile ausgeschöpft sind. Seine Gelder kommen bei Komplikationen zum Einsatz, bei denen die Haftungsfrage nicht eindeutig zu klären ist. Zudem soll die Zuständigkeit des Fonds auf den niedergelassenen Bereich ausgeweitet werden.
Opposition und Boulevardmedien werfen Ihnen vor, Sie würden zu den vielen Missständen im Wiener Spitalswesen schweigen. Werden Sie sich künftig dazu intensiver äußern?
Es stimmt, dass ich nicht mit allen Themen ständig in den Boulevardmedien bin. Anstatt Ängste zu schüren, versuche ich, die anfallenden Probleme mit den zuständigen Playern zu lösen. Gerade mir vorzuwerfen, ich würde zum Beispiel den Mangel an Kassen-Hebammen nicht thematisieren, ist schlichtweg falsch. Ich habe mich um dieses Problem schon bemüht, als das Thema noch nicht einmal bei der FPÖ angekommen ist. Auch mit den Engpässen bei der Strahlentherapie beschäftigen sich die Patientenanwälte seit Jahren.
Was sagen Sie zu dem Vorwurf, Sie würden gegenüber der rot-grünen Regierung zu wenig unabhängig agieren?
Ich bin weisungsfrei und unabhängig. Ich bin aber immer bestrebt, Dinge zu unterstützen, die vernünftig sind. Dazu gehören viele Punkte aus dem Wiener Spitalskonzept 2030 oder der geplante Ausbau der Primärversorgung. Dort, wo es Probleme gibt, spreche ich sie auch laut an. Etwa die aktuell zu geringe Zahl an Geburtenbetten für Schwangere oder die nach wie vor mangelhafte psychiatrische Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Wien.
Ist es nicht ein Nachteil, dass Sie von Ihrer Ausbildung her weder Medizinerin noch Juristin sind?
Ärztin zu sein, macht einen nicht automatisch zur Patientenvertreterin. Denn Ärzte sind Teil des medizinischen Systems. Juristische Kompetenz ist zweifelsohne wichtig, sie ist aber bei meinen Mitarbeitern bestens vorhanden. Das zeigt nicht zuletzt die eingangs erwähnte Erfolgsbilanz.
Konflikte gab es in den vergangenen Jahren auch mit der Ärztekammer. Was steckt hinter den gegenseitigen scharfen Angriffen?
Ich finde es schon bemerkenswert, wenn Wiens Kammerpräsident Thomas Szekeres mich als "sogenannte Patientenanwältin" tituliert. So untergriffig zu sein, würde mir nie einfallen. Ich arbeite auf landesgesetzlichen Grundlagen. Die Ärztekammer hat eine gewaltige PR-Maschine, die sich gegen aus Patientensicht sinnvolle Dinge wie ELGA, Mystery Shopping oder Primärversorgung richtet. Ich, aber auch mein niederösterreichischer Kollege Gerald Bachinger, haben dazu nicht geschwiegen. Es ist kein Wunder, dass die Kammer mit meinen Amtsvorgängern leichter zurecht gekommen ist, die sich weniger explizit geäußert haben. Vielleicht tun sich die Herren Funktionäre auch mit einer Frau nicht so leicht.
Äußerst schleppend geht der Ausbau der niedergelassenen Versorgung voran, die die Spitäler entlasten soll. Etwa durch die vieldiskutierten Primärversorgungszentren. Wer ist hauptverantwortlich dafür?
Im ländlichen Bereich findet man ohnehin kaum noch Ärzte, die als Einzelkämpfer arbeiten wollen. Allein schon aus dem schieren Druck durch die jungen Mediziner wird daher – so meine Hoffnung – viel in Bewegung kommen. Viele Ärzte an der Basis wünschen sich einfach eine Veränderung des jetzigen Systems. Daneben gibt es aber Interessen von Kammer-Funktionären, die allermeisten davon sind ältere Herren. Sie wollen der wichtigste Entscheider in der Gesundheitspolitik bleiben und keine Macht abgeben.
Konflikte gibt es auch rund um das Wiener Spitalskonzept 2030, das die Absiedelung von Abteilungen vorsieht, etwa jene der Augenabteilung des Donauspitals. Schlägt hier die Stadt den richtigen Weg ein?
Dazu haben ich schon im März des Vorjahres mit dem damaligen KAV-Generaldirektor Udo Janßen gesprochen, weil ich große Bedenken bei diesem Vorhaben habe. Die Augenversorgung im niedergelassenen Bereich ist in den Bezirken Donaustadt und Floridsdorf äußerst mangelhaft. Durch die Absiedelung der Abteilung wird sie nicht besser. Es geht auch um die augenärztliche Versorgung von Frühgeborenen, die man nicht transferieren sollte. Zuletzt hat mir der Direktor des Donauspitals versichert, dass zumindest eine eigene Augenambulanz mit einem Eingriffsraum erhalten bleiben soll. Das ist besser als nichts, aber sicherlich nicht ausreichend. In anderen Bereichen kann die Verlagerung von Abteilungen aber durchaus Sinn machen.
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