Brisant ist das deshalb, weil es sich bei Pavillon 55 um die Wäscherei des historischen Spitals handelt. Und für dessen Nachnutzung gibt es einen klaren Rahmen: „Kunst & Kultur, Vorrang für Therapie“. So wurde das 2013 in der Mediationsvereinbarung zur Nachnutzung des Otto-Wagner-Spitals schriftlich festgehalten. Einwände gab es laut Protokoll damals nicht.
Jetzt ist man drauf und dran, diese Vereinbarung aufzukündigen: 2020 wurde der Gesiba von der Stadt, konkret vom WIGEV (Wiener Gesundheitsverbund) ein Baurecht bis 31. Dezember 2113 eingeräumt. Und zwar „zur Errichtung von Wohneinheiten“. Am 30. Juni 2022 wurde Pavillon 55, die alte Wäscherei, an die Gesiba übertragen.
30 bis 110 Quadratmeter
Auf KURIER-Anfrage bestätigt die Gesiba, dass in der alten Wäscherei 42 Wohnungen mit jeweils 43 bis 89 Quadratmetern Fläche gebaut werden sollen. In den Pavillons 23, 25, 26, 54 und 59 werden weitere 84 Wohnungen in der Größe von 30 bis 110 Quadratmetern gebaut. „Als Nutzung ist leistbares Wohnen sowie 25 Prozent betreutes Wohnen vorgesehen“, heißt es von der Gesiba. Es handle sich um frei finanzierte Mietwohnungen ohne Kaufoption.
Die Gesiba hat bereits um Baubewilligung für die Pavillons zum Umbau in Wohngebäude angesucht, genehmigt ist das Vorhaben noch nicht: „Diese Bauansuchen werden noch (auch in Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt) geprüft, und es lässt sich derzeit noch nicht sagen, wann die Verfahren abgeschlossen werden können“, sagt Gerhard Cech, Chef der Baupolizei. Doch die Genehmigung dürfte nur noch ein Formalakt sein.
Damit stellt sich die Stadt gegen das Ergebnis ihres – konkret von der damaligen Vizebürgermeisterin und Planungsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) initiierten – Mediationsverfahrens. Das überhaupt erst notwendig wurde, weil sich Anrainerinnen und Anrainer des Spitals (vor allem) in der Bürgerinitiative „Steinhof gestalten und erhalten“ gegen dessen Umbau in Luxuswohnungen und für den weiteren öffentlichen Zugang einsetzten.
Bisher hefteten sich Stadt wie Bürgerinitiative diese Vereinbarung auf ihre Fahnen – als gelungenes Beispiel für den Umgang mit einem Bürgerprotest.
Unverbindlich
Nur: rechtlich verbindlich sind die insgesamt neun Empfehlungen, die da festgeschrieben wurden, nicht. Das heißt, die Stadt kann die Vereinbarung – wenn sie das möchte – auch einfach nicht umsetzen. Anrainerinnen und Anrainer sind seitdem besorgt – und wurden, wie Christiane Muchsel von „Steinhof gestalten“ sagt, bis jetzt ohne befriedigende Antwort auf ihre Fragen zurückgelassen.
Im Rathaus gibt man sich ob des Bauvorhabens zugeknöpft. Die involvierten Stadtrat-Büros verweisen auf Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Einer seiner Sprecher wiederum auf die WSE – die Wiener Standortentwicklung. Die hat zwar formal nichts mit den Grundstücken der Gesiba zu tun, versucht sich aber nun in einer Art Vermittlerrolle.
Die geplanten Umbauten stünden in Einklang mit dem Mediationsverfahren, sagt WSE-Sprecher Wolfgang Trimmel. Und verweist auf den Schlussbericht des Expertengremiums, das damals eingesetzt wurde.
Darin wurde festgehalten, dass „die Bauberechtigten“, also die Gesiba, „den denkmalgeschützten Altbestand zur Wohnnutzung“ umbauen dürfen. Von einer expliziten Erlaubnis, dass auch der Pavillons 55 in Wohnungen umgebaut werden könnte, ist allerdings nichts zu lesen.
Wiener Wahnsinn
Sabine Plakolm-Forsthuber, Professorin am Institut für Kunstgeschichte, Bauforschung und Denkmalpflege an der TU Wien und Mitglied des einstigen Expertengremiums, ist „schockiert“ über die Pläne der Gesiba. „Es wäre Wahnsinn, wenn dieser Raum in Wohnungen parzelliert und damit privatisiert würde.“
Schon im Februar dieses Jahres ersuchte sie Bürgermeister Ludwig in einem Brief, „die Konzepte der Gesiba“ zu stoppen. „Die Wäscherei ist nicht nur das größte Gebäude des Wirtschaftsareals, sondern auch von bautechnischer und außerordentlicher architekturhistorischer Bedeutung“, schreibt sie. Vergleichbare Bauten hätten sich in anderen psychiatrischen Anlagen der Jahrhundertwende nicht erhalten.
Baubeginn laut Gesiba: „voraussichtlich 2023“.
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