"ÖVP und FPÖ haben sich disqualifiziert"

"ÖVP und FPÖ haben sich disqualifiziert"
Interview: Grünen-Klubobmann Ellensohn zur Wahlrechtsreform.

In Wien reichen derzeit deutlich weniger als 50 Prozent der Wählerstimmen, um im Landtag die absolute Mandatsmehrheit zu er­reichen. Um das zu ändern, haben FPÖ, ÖVP und Grüne 2010 einen Pakt geschlossen. Doch seit die Grünen in der Stadtregierung sitzen, steigen sie auf die Bremse, kritisiert die Opposition. Der KURIER sprach dazu mit dem grünen Klubobmann David Ellensohn.

KURIER: Warum wollen die Grünen heute nichts mehr von dem Pakt mit FPÖ und ÖVP wissen?

David Ellensohn: Die Korruptionsparteien ÖVP und FPÖ haben sich längst als Ansprechpartner in demokratiepolitischen Fragen disqualifiziert. Wir Grünen werden mit der SPÖ das Wahlrecht verbessern.

Kommt also eine Reform der Mandatsverteilung?

Bei der letzten Wahl hat die SPÖ für 46 Prozent der Stimmen 49 Mandate bekommen. Diese starke Förderung der stimmenstärksten Partei wird es bei der nächsten Wahl 2015 nicht mehr geben. Hinsichtlich der mathematischen Herangehensweise gibt es viele Möglichkeiten. Das neue Wahlrecht wird wie geplant bis Ende 2012 vorliegen.

SPÖ-Klubobmann Rudolf Schicker kündigte die Einführung einer Fünf-Prozent-Hürde für Wahlen auf Bezirksebene an. Ist nicht auch diese Maßnahme demokratiepolitisch bedenklich?

Es muss wie in den Landgemeinden auch in Wien möglich sein, dass sich kleine Gruppen und Namenslisten einbringen können. Und derzeit wären gerade einmal sechs von 1200 Bezirksräten von dieser Hürde betroffen. Daher verstehe ich den Sinn dieses Vorschlags nicht. Aber wir verhandeln ja noch.

Auch der zweite Bezirksvorsteher-Stellvertreter soll abgeschafft werden.

Das ist eine alte Forderung der Grünen. In dieser Frage herrscht jetzt Einigkeit mit der SPÖ – mit dem Schönheitsfehler, dass dafür eine Verfassungsänderung notwendig ist. Dazu brauchen wir noch einen Partner.

Auf Landesebene soll das Wahlrecht für EU-Ausländer kommen. Stimmvieh für die Grünen, wie die FPÖ argwöhnt?

Natürlich weiß die FPÖ, dass Menschen, die viel unterwegs sind und in mehreren Ländern leben, meist keinen rein nationalis­tischen oder rechtsradikalen Hintergrund haben. Es gibt in Wien Menschen mit einem deutschen oder schwedischen Pass, die aktiv in der Bezirksvertretung arbeiten, aber auf Landesebene nicht wählen dürfen. Das ist nicht mein Demokratieverständnis. SPÖ und Grüne sind auch für ein Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger, die hier leben. Das können wir allerdings nicht auf Wiener Ebene regeln. Auch dafür brauchen wir eine bundesweite Verfassungsmehrheit.

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