Öffis: Zahl der Angriffe wieder gestiegen
Silvia Filgitzhofer sah das Unheil an diesem Tag nicht kommen. Auf einem Platz des 39A saß eine alte Dame in Wintermantel und Haube, dazu ein Gehstock. "Sonst habe ich ein gewisses Gefühl für die Menschen. Aber bei einer Oma rechnet man nicht damit", sagt die Fahrschein-Kontrolleurin. Doch als Filgitzhofer die Frau um den Fahrschein fragte, begann die 64-Jährige zu schreien und mit dem Stock um sich zu schlagen. "Dann hat sie mich gestoßen, und ich bin hingefallen. Ich dachte, die will flüchten, aber sie hat sich noch auf mich drauf gestürzt", sagt Filgitzhofer. Erst als ihr Kollegen zu Hilfe kamen, ließ die alte Dame von ihr ab. "Ich hab’ zittert wie ein Lamplschwoaf", sagt Filgitzhofer.
Immer wieder müssen sich Kontrolleure bei ihrer Arbeit wüste Beschimpfungen anhören. Manchmal wird es aber auch mehr. 106 Angriffe auf Wiener-Linien-Mitarbeiter gab es 2014, knapp die Hälfte davon auf Kontrolleure. 2013 lag die Zahl noch bei 28. Aber auch bei Bim- und Busfahren sind die Angriffe leicht gestiegen. Über einen Zeitraum von fünf Jahren sind die Zahlen aber stabil – bei immer mehr Fahrgästen und Kontrollen.
Deeskalationstraining
"Wir kontrollieren 6,8 Millionen Fahrgäste jährlich", erklärt Wiener-Linien-Geschäftsführer Eduard Winter. "Auseinandersetzungen kann man leider nie ganz ausschließen." Daher haben die Wiener Linien 2006 ein Betreuungsprogramm für ihre Mitarbeiter gestartet. "Jeder, der bei uns beginnt, bekommt ein ein- bis zweitägiges Deeskalationstraining", erklärt Michael Kiss, Leiter des Referats Arbeitspsychologie der Wiener Linien. "Hier lernt man kritische Situationen zu erkennen und adäquat zu reagieren."
Passiert doch etwas, steht den betroffen Mitarbeitern ein Kriseninterventionsteam, bei den Wiener Linien "Sozius" genannt, zur Verfügung. Das sind 25 erfahrene Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe, die eine erste Hilfestellung geben. Dazu gibt es noch fünf ausgebildete Psychologen. "Etwa 60 Prozent der Betroffenen holen sich Hilfe", sagt Kiss.
So auch Filgitzhofer. "Zuerst habe ich die Angreiferin auch noch verteidigt", erzählt sie. Bis ihr Kollegen klargemacht hätten, dass sie niemand anzugreifen habe. "Am Anfang wird man natürlich vorsichtig", sagt Filgitzhofer. Aber es gebe oft auch positive Rückmeldungen. "Ich bleibe ruhig und lasse die Leute runterkommen. Viele bedanken sich dann sogar."
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