Obdachlose: Vom Praterstern ins Wohngebiet

Obdachlose: Vom Praterstern ins Wohngebiet
Alkoholverbot am Bahnhof treibt Obdachlose in die Gassen rund um den „Hotspot“. Die Bänke am Praterstern wurden abmontiert.

Eine junge Frau hängt regungslos auf einem Sessel am Rabbiner-Friedmann-Platz in Wien-Leopoldstadt. Unter ihr auf dem Asphalt liegen leere Spirituosen-Fläschchen. Sozialarbeiter Ben checkt die Vitalfunktionen. Die Frau atmet noch, ist kurz ansprechbar und schläft dann weiter.

Seit 27. April gilt am Praterstern ein Alkoholverbot. Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) hat es verhängt, um das Sicherheitsgefühl dort zu erhöhen, wie sie damals argumentierte. Ein KURIER-Lokalaugenschein zeigt, dass sich der Aufenthaltsort vieler Obdachloser und Alkoholisierter nun vom Praterstern in die umliegenden Gassen verlagert hat. Bezirksvorsteherin Uschi Lichtenegger (Grüne) spricht von „Verdrängung. Obdachlose sind jetzt im Wohngebiet. Das irritiert die Menschen.“

Obdachlose: Vom Praterstern ins Wohngebiet

André und seine Kumpels halten sich nun am Rabbiner-Friedmann-Platz auf

Tatsächlich halten sich nun vermehrt Gruppen von Obdachlosen in der Prater- und in der Heinestraße, in der Afrikanergasse und am Rabbiner-Friedmann-Platz auf.

Dort hat sich eine Gruppe Obdachloser auf einer Parkbank niedergelassen. „Nach einem Bier am Praterstern kommt die Polizei und leert mein Bier aus. Das ist nicht normal“, sagt Margareta. Seit die Polizei am Prater straft, weicht sie mit ihren Kollegen auf den Platz aus.

Obdachlose: Vom Praterstern ins Wohngebiet

Täglich sind Sozialarbeiter vom „Stern“ unterwegs. Im Notfall leisten sie Erste Hilfe

Ein paar Hundert Meter weiter sitzt Ismail aus Griechenland auf einer Parkbank im Schatten der Bäume auf der Praterstraße. Sein Kompagnon schläft neben ihm seinen Rausch aus. Auch sie verbrachten ihre Tage bisher am Praterstern.

„Das ist eine logische Folge des Alkoholverbots“, sagt Martina Pint, Leiterin des Obdachlosen-Tageszentrums „Stern“ in der Darwingasse. Vor drei Jahren wurde es eröffnet, „damit die Menschen tagsüber vom Praterstern weggehen“. Die Betreuung sei schwieriger geworden. „Jetzt liegen drei hier und fünf dort. Dass wir alle jeden Tag aufsuchen ist unmöglich“, sagt Pint.

Streetwork

Täglich zwei Mal sind Sozialarbeiter der Einrichtung „Stern“ rund um den Praterstern unterwegs. Sie leisten Erste Hilfe, bieten Platz im Tageszentrum an und nehmen Hinweise zum Aufenthaltsort von Obdachlosen entgegen, um helfen zu können. „Wer die Gruppen meiden wollte oder sich gefürchtet hat, konnte am Praterstern großräumig ausweichen“, sagt Sozialarbeiter Ben. „Ich kann nachvollziehen, dass Menschen irritiert sind, wenn Obdachlose nun in Hauseingängen liegen.“

 

Obdachlose: Vom Praterstern ins Wohngebiet

Marzouk Elarby fürchtet um das Geschäft seiner Pizzeria. Auf den Parkbänken direkt neben seinem Gastgarten halten sich nun Obdachlose auf

Auch am Abend sitzen trinkende Menschengruppen auf den Bänken in der Praterstraße. Bierdosen und Vodka-Flaschen bleiben zurück, wenn die Gruppen weiterziehen. „Sie hinterlassen Müll, der mit der Zeit stinkt. Meine Gäste fürchten sich“, sagt Marzouk , der die Pizzeria „Koko“ betreibt. Das sei schlecht fürs Geschäft. Elarby wünscht sich, dass für die Menschen, die sich jetzt in der Praterstraße treffen, ein anderer Platz gefunden wird.

INFO
Seit 27. April gilt erstmals in Wien ein Verbot des Konsums alkoholischer Getränke im öffentlichen  Raum am Praterstern.
752 Abmahnungen sprach die Polizei seit Inkrafttreten der Verordnung bis Anfang August aus. 59 Organmandate wurden verhängt. 50 Euro beträgt die Strafe bei Nicht-Einhalten des Alkoholverbots. 430 Personen wurden von der Polizei wegen Verstoß gegen das Alkoholverbot angezeigt. 1065 Getränke wurden von 27. April bis Anfang August abgenommen. 

- Julia Schrenk und Konstantin Auer

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