Obdachlos: Die Angst vorm Monatsende und der eiskalten Delogierung

Obdachlos: Die Angst vorm Monatsende und der eiskalten Delogierung
Wie die Caritas die steigende Zahl der Delogierungen bewertet und warum das Leben der Wohnungslosen extrem gefährlich ist.
Von Uwe Mauch

18 Monate lang hatte Markus Jokl sein Bett in der bekanntesten Notschlafstelle Wiens. 18 Jahre später weiß der Mann mit der schwarzen Wintermütze noch, wo dieses Bett stand. „Ohne Gruft“, betont er, „wäre ich heute nicht mehr am Leben“.

Markus Jokl kann das mit Recht behaupten. Bevor der Wiener, der seine Firma und seine Familie zeitgleich und vor allem binnen kurzer Zeit verloren hatte, von der Notschlafstelle erfahren hat, versuchte er vier Monate auf der Donauinsel zu schlafen.

Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt werden das auch in der kommenden Nacht unzählige Menschen versuchen. Und es ist allen zu wünschen, dass sie morgen möglichst gesund aufwachen. Auch geht die Angst vor einem Messerattentat (der KURIER hat im Sommer über eine Serie an nächtlichen Attacken auf Wiener Obdachlose berichtet) im Milieu weiterhin um.

➤ Mehr dazu: Wenn es Nacht wird in Wien: Was Obdachlose fürchten

Kältetelefon

Können jene, die abends ein Dach über ihrem Kopf haben, den Verwundbaren helfen? Ja, können sie. Zum Beispiel können sie sich die Nummer  01/4804553 in ihr mobiles Telefon einspeichern. Das ist der direkte Draht zum Kältetelefon der Caritas. Seit Anfang November gingen 1.660 Anrufe ein.

Das heißt: 1.660-mal ging ein Mensch nicht an einem anderen eventuell akut bedrohten Menschen achtlos vorbei. So ein Anruf kostet nichts, konnte aber schon öfters Menschenleben retten.

Weihnachtspackerln

Wer Geld spenden möchte, kann es wie Ö3-Moderator Robert Kratky halten. Dazu eine einfache Gleichung: 1 winterfester Schlafsack + 7 warme Mahlzeiten = 1 Gruft-Winterpaket = 70 € (Infos hier). Laut Sozialministerium sind in Österreich knapp 20.000 Menschen obdach- bzw. wohnungslos, 60 Prozent in Wien.

Die Armut in einer der reichsten Städte der Welt ist aber nicht immer offensichtlich. Man würde zum Beispiel Herrn Markus Jokl in der U-Bahn nie und nimmer als obdachlos einstufen. Und doch ist auch der Mieter einer Gemeindebauwohnung im zweiten Jahr der Teuerung unter Druck geraten: „Man muss schon sehr aufpassen, dass man an den letzten Tagen im Monat noch ein bisserl Geld im Geldbörsel hat.“ Heuer gab es übrigens schon 1.694 Delogierungen in Wien.

Lernen von Markus Jokl: Man kann auch ohne finanzielle Mittel einen Beitrag leisten, ehrenamtlich wie der ehemalige Wohnungslose: „Ich helfe regelmäßig in der Gruft aus, aus Dankbarkeit.“

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