Notfallprogramm gegen massiven Mangel an Kinderärzten mit Kassenvertrag

Hat das Kind schweren Husten und seit Tagen Fieber, wir beim Arzt oder der Ärztin meist erst einmal die Lunge abgehört.
Ihren 60. Geburtstag feiert dieses Jahr die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ). Anlass zu feiern gibt es jedoch nicht allzu viel, besteht doch österreichweit mittlerweile ein massiver Mangel an Kinderärzten mit Kassenvertrag. Im Rahmen ihrer Jahrestagung in Wien hat die ÖGKJ daher ein Zehn-Punkte-Programm verabschiedet, um die Versorgungskrise zu lösen.
Besonders betroffen davon sind Wien und Niederösterreich. In der Bundeshauptstadt seien derzeit (je nach Zählweise) elf bis 16 der 91 Kinder-Kassenstellen nicht besetzt, führt ÖGKJ-Generalsekretär Reinhold Kerbl aus. Das seien zwölf bis 18 Prozent. Noch schlimmer sei die Lage in NÖ, wo acht der 43 Kassenstellen (19 Prozent) aktuell verwaist sind.

Reinhold Kerbl
Zumindest für dieses Bundesland hat der Experte eine Erklärung für den Mangel an Kassenärzten: „Das Honorar der Kollegen in NÖ ist um ein Drittel geringer als in Wien“, rechnet Kerbl vor.
Mehr Geld ist aber nur einer der Vorschläge, um die Situation zu verbessern: Ein zentraler Punkt sei laut Mediziner die Etablierung von kindermedizinischen Primärversorgungseinheiten (PVE), wie es sie für die Allgemeinmedizin bereits gibt. Also Ärztezentren oder -netzwerke mit einem umfassenden Versorgungsangebot und langen Öffnungszeiten. Die Umsetzung läuft jedoch schleppend, aktuell wird in Wien, wie mehrfach berichtet, massiv über die Finanzierung der Kinder-PVE gestritten.
Spitalsärzte helfen aus
Verbessert werden könnte die Versorgungslage auch durch eine engere Kooperation zwischen niedergelassener und Spitalspädiatrie, sind die Experten überzeugt. Kerbl verweist auf ein Modell, das in der Obersteiermark etabliert wurde, um dem gravierenden Kinderärzte-Mangel im Ennstal zu begegnen. Pädiater aus dem LKH Leoben pendeln tageweise nach Liezen und versorgen dort täglich 50 bis 60 Kinder. Betreiber des Modells ist das Spital, in dem die Ärzte auch angestellt bleiben, die Kosten übernimmt aber die ÖGK. „Das Projekt hat sich bewährt“, sagt Kerbl.
Ein Anliegen ist den Medizinern auch die Valorisierung der Honorare für die Mutter-Kind-Pass-Untersuchung, die zuletzt 1994 erfolgt ist. Die Preissteigerung hat seitdem 40 Prozent betragen. Die Mediziner betonen, dass die Anpassung aber noch deutlich höher ausfallen müsse. Schließlich seien die Untersuchungen in den vergangenen 30 Jahren viel aufwendiger geworden.
Wahlarzt-Schwemme
In Wien etwa gibt es in der Zwischenzeit mehr Kinderärzte, die als Wahlarzt arbeiten als Kassen-Pädiater. Zuletzt gab es von verschiedenen Seiten Vorschläge, um den Wahlarzt-Wildwuchs einzudämmen. Zum Beispiel das Verbot der Möglichkeit, Wahlarzt-Honorare bei der Krankenkasse einreichen zu können.
Ein anderer umstrittener Vorschlag sieht vor, dass Wahlärzte einen bestimmten Zeitraum verpflichtend im öffentlichen Gesundheitssystem arbeiten sollen.
Der Wiener Kinderarzt und Tagungspräsident Peter Voitl erteilt solchen Plänen eine klare Absage. „Es nutzt der Kassen-Kindermedizin, die unattraktiv geworden ist, nichts, wenn auch Wahlarzt-Medizin unattraktiv gemacht wird.“
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