Nordbahnhofareal: Großer Bahnhof auf leerer Gstettn

Grätzl-Reportage im Nordbahn-Viertel, Wien am 13.01.2016
Bewohner beleben das Stadtentwicklungsgebiet mit kreativen Konzepten.

An Sonntagen kommt Lokalbesitzerin Brigitte Ullmann kaum zum Verschnaufen. Da ist der Andrang von Frühstücksgästen in "Ullmanns Zuckerbäckerei" in der Walcherstraße so groß, dass die Tische mittlerweile zwei Mal vergeben werden (einmal von 9 Uhr bis 11 Uhr, einmal von 11 Uhr bis 13 Uhr). Und weil die Gäste von der liebevollen Einrichtung in der Konditorei so begeistert waren, eröffnete die Unternehmerin vor zwei Monaten ein paar Häuser weiter noch den Dekoladen "Home Stories", in dem sie die skandinavischen Wohnaccessoires zum Kauf anbietet.

"Ich hätte mir nie gedacht, dass sich das Geschäft hier so gut entwickeln würde", sagt Ullmann beim KURIER-Lokalaugenschein am Freitag. Als Kind des zweiten Bezirks kannte sie das Areal des ehemaligen Nordbahnhofs lange Zeit nur als "leere Gstettn". Doch dieser Tage schreitet die Bebauung der größten innerstädtischen Entwicklungszone stetig voran.

Nordbahnhofareal: Großer Bahnhof auf leerer Gstettn
Grätzl-Reportage im Nordbahn-Viertel, Wien am 13.01.2016
Bis 2025 werden 20.000 Arbeitsplätze und 10.000 Wohnungen geschaffen. Etwa ein Fünftel wurde bereits realisiert. Weil dabei das ganze Viertel – von der Straßenlaterne bis zum Supermarkt – neu errichtet wurde, gab es für die neuen Bewohnerinnen und Bewohner kein soziales Gefüge, in das sie sich eingliedern konnten. Das mussten sie selbst schaffen.

Treffpunkte schaffen

Acht Bewohner des "Wohnprojekts Wien" haben in der Krakauerstraße 19 etwa den "Salon im Park" eröffnet, eine Greißlerei inklusive kleinem Kaffeehaus.

Nordbahnhofareal: Großer Bahnhof auf leerer Gstettn
Grätzl-Reportage im Nordbahn-Viertel, Wien am 13.01.2016
"Um den Konsum geht es dabei nicht so sehr", sagt Cornelia Spiola, während sie Freitagvormittag für eine Stammkundin und Nachbarin einen Kaffee runterlässt, "vielmehr wollen wir ein Treffpunkt werden." Und dabei sei man auf einem guten Weg.

Auch der Anrainer Dejan Palalic und der Hoffentlich-Bald-Anrainer Patrik Barbic wollen mit dem Lokal "Nord" in der Ernst-Melchior-Gasse ein verlängertes Wohnzimmer schaffen. Auf der großen Leinwand werden Sportevents übertragen, Playstation-Spiele gespielt und Montagabend Filme gezeigt.

Nordbahnhofareal: Großer Bahnhof auf leerer Gstettn
Grätzl-Reportage im Nordbahn-Viertel, Wien am 13.01.2016
Die Bemühungen sind jedenfalls vorhanden und das Klima sei auch schon sehr gut, sind sich die Anrainer einig. Dennoch sei das Viertel hauptsächlich ein Wohngrätzel, es brauche noch mehr Belebung.

Je weiter man sich vom Praterstern entfernt, desto offensichtlicher wird das. Nicole Heimreich, die in ihrer Greißlerei "Der Burgenländer" Gemüse aus dem Seewinkel oder Leberkäse vom Moorochsen anbietet, fehlt vor allem in der kalten Jahreszeit noch die Frequenz.

Nordbahnhofareal: Großer Bahnhof auf leerer Gstettn
Grätzl-Reportage im Nordbahn-Viertel, Wien am 13.01.2016
Hier kommt Peter Rippl von der Initiative "Lebenswerter Nordbahnhof" ins Spiel. Der 43-jährige Anrainer und Shiatsu-Trainer engagiert sich dafür, dass bei der weiteren Stadtentwicklung die Bürgerbeteiligung nicht zu kurz kommt. Damit Fehler – wie zu wenig bespielte Erdgeschoßlokale – künftig vermieden werden können. Rippl: "Das Gebiet hat so viel Potenzial. Es wäre schade, wenn das nicht genutzt wird."

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