Heroin für die Mittelschicht

Heroin für die Mittelschicht
Banden werden professioneller und bedienen zunehmend eine neue Klientel.

Arbeitszeiten von 12 bis 20 Uhr, Handy und Wohnung werden vom Dienstgeber zur Verfügung gestellt und die Beschäftigung ist – je nach Erfolg und Kundenstamm – auf drei bis vier Wochen befristet. Ein gepflegtes Äußeres und hohe Kontaktfreudigkeit werden vorausgesetzt.

So ähnlich könnte am Balkan eine Jobanzeige als Drogendealer in Wien lauten. Das Muster trifft auf jene 18 Männer aus Serbien und Montenegro zu, die kürzlich von den Suchtgift-Ermittlern der Außenstelle Wien-Mitte des Landeskriminalamts und von der Polizei in ihren Heimatländern festgenommen wurden. In Bunkerwohnungen in Favoriten und Hernals wurden mehrere Kilo Heroin, Speed und Streckmittel sichergestellt.

Puzzle ohne Rand

Heroin für die Mittelschicht
Philipp Wolm, Strafverteidiger
Drei Männer stehen am 23. Oktober in Wien vor Gericht. "Der Fahndungserfolg ist mäßig", sagt Rechtsanwalt Philipp Wolm, der einen 23-jährigen Verdächtigen verteidigt. Bei den in Wien Festgenommenen handle es sich um vergleichsweise "kleine Fische" – also Dealer und Bunkerhalter. Die Drahtzieher werden gesondert in Serbien und Montenegro verfolgt. Sein Mandant bekenne sich teilweise schuldig. Er gibt die Drogenverkäufe zu, bestreitet aber die Teilnahme an einer kriminellen Vereinigung.

Die Arbeit der Suchtgiftermittler sei wie ein "Puzzlespiel ohne Randstücke", sagt Martin Roudny, der bei der jüngsten Operation in leitender Funktion tätig war. "Die Straßenverkäufer und Bunkerhalter werden laufend ausgetauscht. Nehmen wir sie fest, sind sofort neue da."

Heroin für die Mittelschicht
Heroin für die Mittelschicht
Martin Roudny Suchtgift LKA Außenstelle Mitte
Meist seien es junge Männer, mitunter Studenten, die auf der Straße nicht weiter auffallen würden: Gepflegt, modisch gekleidet, freundlich. Die einzigen "verräterischen" Accessoires sind die Umhängetasche und das Wegwerf-Handy am Ohr. "Wir arbeiten uns von der untersten Ebene nach oben. Ziel ist es, die Organisatoren zu finden und die Strukturen im In- und Ausland zu zerschlagen", betont Roudny.

Karlsplatz-Klischee

Derzeit seien mehrere serbische Tätergruppen in Wien aktiv. Sie seien aufgestellt wie Kleinunternehmen, hätten eine strenge Arbeitsteilung, erklärt Ermittler Rudolf Stelzer. Mit dieser Professionalität sichere man sich den Erfolg bei einer neuen Klientel: der Mittelschicht.

"Der typische Heroinkonsument ist nicht mehr der Junkie vom Karlsplatz. Das sind Menschen, die oft ganz normal im Berufsleben stehen, studieren, eine Familie haben", sagt Stelzer.

Heroin für die Mittelschicht
Grund sei, dass Heroin nicht mehr gespritzt, sondern immer häufiger geraucht und geschnupft werde. "Dadurch ist eine Hemmschwelle weggefallen. Es fällt vielen leichter, diese gefährliche Droge einmal auszuprobieren." Ein Gramm bekommt man auf der Straße schon ab 25 Euro. Im Vorjahr wurden laut Suchtmittelbericht des Bundeskriminalamts etwa 56 Kilo des Opiats sichergestellt.

Während Cannabis, das mengenmäßig an oberster Stelle steht, großteils bereits in Österreich und den Nachbarländern produziert wird, kommt Heroin von Afghanistan einen weiten Weg über die Balkanroute nach Europa. Dort werden nach Schätzungen bis zu 1,3 Millionen Süchtige bedient.

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