Neos kritisieren Umgehung von UVP-Verfahren
Mittels einer "kreativen Rechtsauslegung" umgehe die Stadt Wien bei großen Bauvorhaben die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) – behaupten die Neos. Als Beispiele nennt Umweltsprecherin Bettina Emmerling die Stadtentwicklungsgebiete auf den Siemensäckern (Floridsdorf) sowie in der Berresgasse (Donaustadt).
In beiden Fällen kritisieren Bürgerinitiativen, dass Verkehrskonzepte fehlen und die Anrainer nicht ausreichend in die Planungen eingebunden werden. Und beide wollen, wenn nötig, bis zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) gehen, um ihre Forderungen durchzusetzen. "Das würde im schlimmsten Fall bedeuten, dass alle Projekte abgeblasen und Tausende Wohnungen nicht gebaut werden", warnt Emmerling.
Wiener Interpretation
Vor dem EuGH würden die Bürgerinitiativen wohl recht bekommen, meint Anwalt Wolfram Proksch, der für die Neos ein Rechtsgutachten erstellte. Dessen Quintessenz: Die Umgehung der UVP sei "klar EU-rechtswidrig".
In Österreich erachte das Umweltministerium die Multifunktionalität eines Projekts, eine gewisse Dimensionierung sowie den Bau einer inneren Erschließungsstraße als Voraussetzungen für eine UVP. Und das werde in Wien gekonnt ausgenutzt: Wo besagte Dimensionierung – bei städtebaulichen Vorhaben eine Mindestgröße von 15 Hektar – eine UVP notwendig machen würde, werde das geplante Projekt einfach in mehrere Teilprojekte aufgeteilt. Wie etwa auf den Siemensäckern, wo statt eines großen Bauvorhabens drei "kleine" (mit drei bis 11 Hektar) bewilligt worden seien.
Die Landesregierung vertrete außerdem die Meinung, "dass kein UVP-pflichtiges Stadtentwicklungsprojekt vorliegt, wenn keine innere Erschließungsstraße mitgebaut wird", sagt Proksch. "Damit wird die Umgehung einer UVP möglich, indem die Straßen einfach nachträglich als eigenständige Projekte eingereicht werden. Die EU zielt aber ganz klar darauf ab, dass bei der Frage nach der UVP-Pflicht das Gesamtprojekt betrachtet werden muss."
Zudem sei die Multifunktionalität eine österreichische Erfindung, so Proksch. Nach der EU-Gesetzgebung sei diese keine Voraussetzung für eine UVP. Die Chancen, derart genehmigte Projekte vor Verwaltungsgerichtshof (VwGH) bzw. EuGH anzufechten, seien enorm.
Bundesgericht
Umweltanwältin Andrea Schnattinger kann die Darstellung der Neos nicht nachvollziehen. Unisono mit SPÖ-Planungssprecher Gerhard Kubik und einem Sprecher von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) verweist sie auf das Bundesverwaltungsgericht: Dieses bestätigte sowohl bei den Siemensäckern, als auch bei der Berresgasse, dass keine UVP erforderlich war. Adressat der Kritik könne also höchstens der Bund sein, meint Kubik.
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