Nach Sondierungen: De-facto-Absage an Rot-Türkis in Wien
Die Frage, die die Wiener Polit-Szene am Mittwoch vor dem Sondierungsgespräch von SPÖ und ÖVP wohl am meisten beschäftigte, war keine politische – sondern eine kulinarische: Was wird SPÖ-Chef Michael Ludwig seinem Gegenüber wohl diesmal zu essen anbieten?
Ludwig und sein Team hatten in den vergangenen Tagen (durchaus eigenwilligen) Humor bewiesen. Für alle Parteichefs gab es die – aus Sicht der SPÖ – passende Speisenbegleitung. Auf die Neos warteten Punschkrapferln, auf die Grünen veganes Gebäck.
Für die ÖVP sollten es Schaumrollen werden – und zwar aus dem Hause der Wiener Bäckerei Schwarz. Auch modisch setzte Bürgermeister Ludwig wieder ein Zeichen. Er trug eine türkise Krawatte (mit schwarzen Streifen).
Bei den Türkisen kamen die (Farb-)Witze nur bedingt gut an, wie man am Abend aus Parteikreisen hörte. Bereits im Vorfeld gab es Debatten um die Besetzung des türkisen Gesprächsteams. Dieses bestand neben Parteichef Gernot Blümel aus altgedienten, „schwarzen“ Funktionären, die türkise Parteispitze war nicht dabei.
„Durchaus Differenzen“
Zu lachen gab es bei dem rot-türkisen Gespräch aber auch abseits der Kulinarik wenig: Es habe kaum inhaltliche Übereinstimmung gegeben, war direkt nach dem Gespräch aus den Parteien zu hören. Zu einer Absage an Rot-Türkis wollte sich – offiziell – noch niemand durchringen. Aber von einer „De-facto-Absage“ war dann doch die Rede.
Auch das offizielle Statement von ÖVP-Spitzenkandidat Blümel klang dann wenig hoffnungsfroh: „Das Gespräch war persönlich sehr freundlich, aber inhaltlich auch sehr klar“, sagte Blümel. „Wir haben in einigen Bereichen durchaus Differenzen wahrgenommen“ und „in manchen Bereichen wenig Bewegungsspielraum gesehen“. Man habe klargemacht, dass es „gewisse türkise Grundprinzipien gibt“, so Blümel.
Konkret nannte Blümel Themenfelder, die bereits im Wahlkampf und davor umstritten waren zwischen den beiden Parteien: Fragen der Integration (konkret Deutsch vor Gemeindebau), die Mindestsicherung und Reformen im Pensionsbereich. Darüber hinaus habe man Stillschweigen vereinbart.
Auf das ausgemachte Stillschweigen berief sich dann auch die SPÖ auf Nachfrage: „Es war ein Gespräch in guter, professioneller Atmosphäre. Zu den Inhalten haben wir uns auf Vertraulichkeit festgelegt. Daran halten wir uns auch“, hieß es auf KURIER-Anfrage.
Dass eine Koalition zwischen SPÖ und ÖVP zustande kommen könnte, daran hatten auch vor dem Termin nur die
wenigsten geglaubt. Überraschend war nur, wie deutlich die Differenzen direkt nach dem Treffen kommuniziert wurden. Nach den Gesprächen zwischen SPÖ und Neos sowie den Grünen gab es von beiden Seiten zurückhaltende, tendenziell lobende Worte.
Ob die rot-türkise Option bereits fix ausgeschlossen ist, das lässt sich nicht sagen: „Wir werden nicht als Erste vom Verhandlungstisch aufstehen“, hieß es am Mittwoch aus ÖVP-Kreisen. Heißt im Klartext: Sollten die SPÖ-Gremien entscheiden, die ÖVP zu weiteren Koalitionsgesprächen zu laden, dann würde man kommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, ist denkbar gering.
Enttäuscht dürfte man im SPÖ-affinen Wirtschaftskammer-Lager der ÖVP sein. Dort hatte man sich relativ offen
für eine Zusammenarbeit mit den Roten ausgesprochen.
Rasche Entscheidung
Rund um den Nationalfeiertag will Ludwig bei einer SPÖ-Vorstandssitzung über den Verlauf der Sondierungsgespräche berichten. Daraufhin wird er eine Empfehlung abgeben, mit welcher Partei Verhandlungen eingeleitet werden sollen. Die Zustimmung des Parteigremiums ist wohl nur eine Formsache. Die Entscheidung dürfte bei Ludwig und seinen engsten Beratern liegen.
Ob die SPÖ mit den Grünen oder den Neos weiterverhandeln soll, darüber ist man sich intern uneins. Die Grünen gaben sich nach dem Treffen am Dienstag hoffnungsfroh: „Rot-Grün mit Ludwig-Hebein ist spürbar“, verkündete die Wiener Grünen-Chefin Birgit Hebein nach dem Termin.
Fix ist vorerst nur: Mit Ludwigs Humor kann Hebein offenbar besser umgehen als die anderen. Während Blümel wenig Freude an seiner Schaumrolle hatte, brachte Hebein als einzige sogar ein eigenes Geschenk mit: vier Flaschen „Michl“- und „Birgit“-Bier.
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